Kosmischer Wind ändert die Richtung

Messungen über einen Zeitraum von vier Jahrzehnten deuten auf Veränderungen in der interstellaren Gaswolke um unser Sonnensystem hin.

Rainer Kayser

Raumsonde im dunklen Weltall mit der kleinen Erdkugel rechts oben im Hintergrund und vorne Links im Vordergrund eine bunte Gaswolke

Der durch unser Sonnensystem wehende „Gegenwind“ aus interstellarem Gas hat sowohl seine Richtung als auch seine Geschwindigkeit im Verlauf der vergangenen vierzig Jahre geändert. Das zeigt die Analyse von mit zehn verschiedenen Raumsonden gewonnen Messdaten durch ein Forscherteam aus den USA. Die Richtung des Gasstroms hat sich demnach um knapp sieben Grad gedreht. Die Wissenschaftler präsentieren das Ergebnis ihrer Untersuchung im Fachblatt „Science“.

„Die von den historischen Daten aufgezeigte Variation des interstellaren Winds ist ein Hinweis auf Veränderungen in der galaktischen Umgebung des Sonnensystems“, schreiben Priscilla Frisch von der University of Chicago und ihre Kollegen. Die Wissenschaftler waren bei der Auswertung von in den Jahren 2009 und 2010 gewonnen Daten des Interstellar Boundary Explorers (IBEX) auf die Drehung des kosmischen Winds gestoßen: Die IBEX-Werte wichen um 3,6 Grad von dem mit der Raumsonde Ulysses in den 1990er-Jahren erhaltenen Wert für die Richtung des Gasstroms ab.

Daraufhin zogen Frisch und ihre Kollegen die Ergebnisse von acht weiteren Satelliten und Raumsonden zum Vergleich heran, die bis in das Jahr 1972 zurückreichen. „Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Datentypen und ihrer Unsicherheiten kommen wir zu dem Schluss, dass der beobachtete Trend statistisch signifikant ist“, so die Wissenschaftler. Insgesamt habe sich die Richtung des Winds von 1972 bis 2010 um 6,8 Grad gedreht, plus oder minus maximal 2,4 Grad.

Unser Sonnensystem ist in eine etwa dreißig Lichtjahre große Wolke aus interstellarer Materie – der sogenannten Lokalen Interstellaren Wolke – eingebettet, die wiederum innerhalb der über dreihundert Lichtjahre großen „Lokalen Blase“ liegt. In dieser möglicherweise durch eine Sternexplosion entstandenen Region ist die Gasdichte mit 0,05 Atomen pro Kubikzentimeter etwa zehnmal geringer als im normalen Raum zwischen den Sternen. In der Lokalen Interstellaren Wolke ist die Dichte zwar höher, aber mit 0,3 Atomen pro Kubikzentimeter immer noch niedriger als im galaktischen Mittel. Die gemessene Veränderung des kosmischen Winds zeigt nach Ansicht der Forscher, dass die Gaswolke dynamisch aktiv ist. Langfristig hoffen die Wissenschaftler aus solchen Beobachtungen Rückschlüsse auf die Bewegung und den Ursprung der Wolke ziehen zu können.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2013/kosmischer-wind-aendert-die-richtung/