Kosmische Evolution im Computer

Simulation reproduziert erstmals sowohl beobachtete Galaxientypen als auch deren chemische Zusammensetzung.

Rainer Kayser

Netz aus filamentartigen Strukturen, auf denen sich helle Objekte befinden

Die Simulation ist kaum mehr von der Realität zu unterscheiden: Forscher präsentieren das bislang beste Computermodell unseres Universums. Mit fünf Supercomputern, darunter SuperMUC am Leibniz-Rechenzentrum in Garching, und einer Prozessorzeit von insgesamt 16 Millionen Stunden haben die Wissenschaftler die Entwicklung des Kosmos über einen Zeitraum von 13 Milliarden Jahren verfolgt – die Entstehung großräumiger Strukturen, von Galaxienhaufen und Galaxien aus dem ursprünglich nahezu gleichmäßig verteilten Gas. Erstmals gelang es dabei, sowohl die heute beobachteten Häufigkeiten von unterschiedlichen Galaxientypen, als auch deren chemische Zusammensetzung korrekt wiederzugeben. Das Team präsentiert die Ergebnisse der Simulation im Fachblatt „Nature“.

„Frühere Simulationen haben zwar das heute beobachtete kosmische Netz von Galaxien korrekt wiedergegeben“, so Mark Vogelsberger vom Massachusetts Institute of Technology im US-amerikanischen Cambridge und seine Kollegen, „doch sie konnten nicht das korrekte Gemisch von Spiralgalaxien und elliptischen Galaxien erzeugen.“ Grund dafür seien einerseits Rechenungenauigkeiten, andererseits unvollständige physikalische Modelle gewesen. Die neue Simulation – genannt Illustris – basiert nicht nur auf einem neuen Ansatz für das Simulationsprogramm, es berücksichtigt zudem zahlreiche bislang vernachlässigte physikalische Effekte.

Zum Zentrum hin dichter werdende Ansammlung von Galaxien

Galaxienhaufen

Statt eines Rasters mit vorgegebener Struktur verwendet Illustris ein unstrukturiertes Gitter, das sich an die Dynamik und Entwicklung der Materieverteilung anpasst – und so dort, wo mehr passiert, mit höherer Auflösung rechnet. Das physikalische Modell berücksichtigt nicht nur die Schwerkraft und die Entstehung von Sternen aus kollabierenden Gaswolken, sondern auch kühlende Gasströmungen, die Entwicklung der Sterne bis hin zu Sternexplosionen, die Produktion von chemischen Elementen durch Kernfusion, den Einfall von Materie in supermassereiche Schwarze Löcher und die Rückwirkung der dadurch freigesetzten Strahlung auf die Sternentstehung – um nur einen Teil der komplexen Vorgänge zu nennen.

Um Computermodell und Realität zu vergleichen, haben Vogelsberger und seine Kollegen eine simulierte Beobachtung in Illustris durchgeführt und mit dem Hubble Ultra Deep Field, einer extrem detailreichen Himmelsaufnahme des Weltraumteleskops Hubble, verglichen. Nicht nur beim globalen Eindruck, selbst bei individuellen Galaxien ist kein offensichtlicher Unterschied zu erkennen. Und auch diverse Messgrößen, mit denen die Forscher die Strukturen im Kosmos beschreiben, gibt Illustris korrekt wieder. Besonders beeindruckend ist, dass sogar die vom Modell gelieferte Häufigkeit schwerer Elemente in den unterschiedlichen Galaxientypen mit den beobachteten Werten übereinstimmt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2014/simulation-des-kosmos/