Späte Entstehung des Mondes

Neu entdeckter Zusammenhang erlaubt Datierung der Kollision der Ur-Erde mit einem marsgroßen Himmelskörper.

Rainer Kayser

Zusammenstoß von zwei unterschiedlich großen Planeten

Der Mond der Erde ist 95 Millionen Jahre nach den ersten Himmelskörpern im Sonnensystem entstanden – plus oder minus 32 Millionen Jahre. Das zeigen von einem internationalen Forscherteam durchgeführte Computersimulationen des frühen Sonnensystems. Die Unsicherheit mag groß erscheinen, doch das Ergebnis ist trotzdem bedeutend: Es schließe mit großer Signifikanz eine frühe Entstehung innerhalb der ersten 40 Millionen Jahre aus, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

Die Himmelsforscher sind sich heute weitgehend einig, dass der Mond der Erde in der Frühzeit des Sonnensystems aus den beim Zusammenstoß der Ur-Erde mit einem weiteren, etwa marsgroßen Ur-Planeten ausgeworfenen Trümmern entstanden ist. Aber wann genau hat diese entscheidende Katastrophe stattgefunden? „Einige Forscher haben gute Argumente für eine frühe Mondentstehung, etwa 30 Millionen Jahre nach der Bildung der ersten festen Körper im Sonnensystem“, beschreiben Seth Jacobsen von der Sternwarte Côte d’Azur in Nizza und seine Kollegen die bisherige Situation, „andere vertreten eine Entstehung 50 Millionen Jahre oder sogar noch später nach der Kondensation.“ Diese Unsicherheit steht in deutlichem Gegensatz zum Alter der ältesten Objekte im Sonnensystem, das sich sehr genau auf 4,567 Milliarden Jahre bestimmen lässt.

Jacobsen und seine Kollegen sind nun zufällig auf einen neue „Uhr“ gestoßen, die eine genauere Datierung der Mondentstehung erlaubt. Mithilfe von Computersimulationen verfolgten die Forscher die Entstehung der inneren Planeten aus Tausenden von kleineren Körpern. Dabei zeigte sich, dass es einen zuvor unbekannten Zusammenhang gibt zwischen dem Zeitpunkt der Kollision, die zur Bildung des Mondes geführt hat, und der chemischen Zusammensetzung des Erdmantels.

Durch den Zusammenstoß sollten bestimmte chemische Elemente wie Iridium und Palladium in den Erdkern abgesunken sein. Alle Spuren solcher siderophilen oder „eisenliebenden“ Elemente, die heute im Mantel der Erde vorhanden sind, müssen demnach erst später aus dem Weltall hinzugekommen sein. Je höher also der Anteil dieser Elemente, desto länger muss dieser Zustrom angehalten haben – und desto früher muss der Mond entstanden sein. Aus dem Vergleich des gemessenen Anteils an siderophilen Elementen im Erdmantel mit den Vorhersagen der Simulationen konnten Jacobson und seine Kollegen deshalb den Entstehungszeitpunkt des Erdtrabanten bestimmen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2014/spaete-entstehung-des-mondes/