Galaktischer Staub statt Gravitationswellen?

Astronomen glaubten erstmals eine direkte Spur der kosmischen Inflation gefunden zu haben. Doch nun rudern sie zurück: Staub könnte das Signal vortäuschen.

Rainer Kayser

Wirbelförmige Strukturen aus kleinen Strichen

Im März hatte die internationale BICEP2-Kollaboration für Schlagzeilen gesorgt: In der kosmischen Hintergrundstrahlung glaubten die Forscher mit ihrem Spezialteleskop in der Antarktis erstmals auf eine direkte Spur der kosmischen Inflation gestoßen zu sein. So nennen Astrophysiker eine nur Sekundenbruchteile dauernde Epoche, in der sich der Kosmos unmittelbar nach dem Urknall rasant aufgebläht haben soll. Doch nun muss das Team zurückrudern. Es lasse sich nicht ausschließen, dass das gemessene Signal durch Staub in der Milchstraße produziert wird, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Physical Review Letters“.

Das BICEP2-Team reagiert damit auf die in den vergangenen Wochen immer lauter werdende Kritik an der Auswertung der Daten. Erst jüngst hatten zwei Forschungsgruppen die BICEP2-Daten einer neuen Analyse unterzogen. Unabhängig voneinander kamen sie zu demselben Schluss: Für die vermeintlichen Spuren der Inflation könnte auch Staub in der Milchstraße verantwortlich sein. „Die Ergebnisse unserer Analyse favorisieren weder die eine, noch die andere Erklärung“, so Michael Mortonson und Uroš Seljak von der University of California in Berkeley. Raphael Flauger von der New York University und seine Kollegen drücken es so aus: „Die BICEP2-Daten reichen nicht aus, um zwischen einem Signal aus dem Vordergrund und einem Signal durch die Inflation zu unterscheiden.“

Bei dem Signal, um das es bei dem wissenschaftlichen Disput geht, handelt es sich um wirbelförmige Muster in der kosmischen Hintergrundstrahlung. Etwa 380 000 Jahre nach dem Urknall wurde der Kosmos für elektromagnetische Strahlung durchsichtig. Aus dieser Zeit stammt die gleichmäßig aus allen Richtungen zur Erde kommende Hintergrundstrahlung. Dieses „Strahlungsecho“ des Urknalls ist heute auf eine Temperatur von 2,7 Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Winzige Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung haben den Kosmologen bereits eine Vielzahl von Informationen über das Universum, seine Entstehung und Entwicklung geliefert.

BICEP2 ist ein in der Antarktis stationiertes Spezialteleskop, das nicht die Temperatur, sondern die Polarisation des kosmischen Hintergrunds untersucht, also die Schwingungsrichtung der Strahlung. Denn das geradezu ruckartige, gewaltige Aufblähen des Kosmos in der inflationären Phase hätte Gravitationswellen erzeugt, Schwingungen von Raum und Zeit. Und diese Schwingungen wiederum hätten der kosmischen Hintergrundstrahlung ein charakteristisches Polarisationsmuster aufgeprägt. Und eben ein solches Muster, das erstaunlich gut mit den theoretischen Vorhersagen übereinstimmt, meinte das BICEP2-Team aufgespürt zu haben.

Doch die Auswertung der Daten ist komplex: Die Forscher müssen die ebenfalls polarisierte Strahlung von Staub in der Milchstraße korrekt herausrechnen. Bei dieser Korrektur waren sie offenbar allzu optimistisch. Zur Veröffentlichung der BICEP2-Ergebnisse hat das Team deshalb noch einmal neueste Daten und Modelle verwendet, um den Einfluss des Staubs korrekt herauszufiltern. Zwar finden sie jetzt immer noch ein – deutlich geringeres – Signal. „Aber die Modelle [für die Strahlung des Staubs] lassen sich durch öffentlich zugängliche Daten nicht so stark einschränken”, so die Forscher, “dass eine vollständige Erklärung des Restsignals durch die Emission von Staub ausgeschlossen werden könnte.“ Eine endgültige Entscheidung können vielleicht schon bald die Daten des Satelliten Planck liefern. Denn Planck misst im Gegensatz zu BICEP2 die Polarisation in mehreren Frequenzbereichen – und damit lassen sich, so die Hoffnung, die unterschiedlichen Komponenten der Strahlung voneinander trennen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2014/staub-statt-gravitationswellen/