Überreste einer Supernova statt kosmischer Gravitationswellen?

Zweifel an der Interpretation der BICEP2-Messungen: Polarisierte Strahlung könnte von Bögen aus Gas und Staub in der Milchstraße stammen.

Rainer Kayser

Knapp einen Monat ist es her, dass der vermeintliche Nachweis von Gravitationswellen aus einer frühen Phase des Kosmos für Schlagzeilen sorgte. Nun sind erneut Zweifel an der Interpretation der Messungen aufgekommen. Das von einem Teleskop am Südpol aufgespürte Signal könnte auch von „Radiobögen“ stammen, Überresten explodierter Sterne, berichtet ein internationales Forschertrio. Die neue Analyse wurde – wie die ursprüngliche Entdeckung auch – von den Wissenschaftlern online auf dem wissenschaftlichen Dokumentenserver arXiv veröffentlich, also bislang nicht von unabhängigen Fachkollegen begutachtet.

Filamentartige Struktur vor Sternenhintergund

Überrest der Supernova 1006

„Das von uns neu identifizierte Vordergrundsignal ist möglicherweise deutlich stärker als das von den Gravitationswellen erwartete Signal“, schreiben Hao Liu vom Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen und seine Kollegen. Wenn Sterne mit großer Masse ihren nuklearen Energievorrat verbraucht haben, explodieren sie als Supernova: Sie stoßen ihre äußeren Schichten ab, während ihr Kern zu einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch kollabiert. Die ins All ausgestoßene Hülle bildet eine langsam expandierende Wolke aus Gas und Staub, die im Laufe der Zeit zu einem kolossalen Bogen mit einer Länge von bis zu tausend Lichtjahren anwachsen kann.

Liu und seine Kollegen nehmen an, dass der Staub in diesen Supernovaresten eisenhaltig ist und sich im Magnetfeld ausrichtet. Dann aber kann er polarisierte elektromagnetische Strahlung erzeugen. Und eben eine solche Polarisation meint das Team des in der Antarktis stationierten Spezialteleskops BICEP2 in der kosmischen Hintergrundstrahlung aufgespürt zu haben. Das BICEP2-Team interpretiert die aufgespürten Muster als Fingerabdruck von Gravitationswellen, die durch die Wucht der sogenannten inflationären Phase des Kosmos entstanden sind. In dieser nur Sekundenbruchteile dauernden Phase unmittelbar nach dem Urknall hat sich das Universum gewaltig aufgebläht.

Zwar hat das BICEP2-Team sorgfältig versucht, Vordergrundeffekte zu eliminieren. „Die Modelle enthalten aber nicht den von uns gefundenen Effekt“, so Liu und seine Kollegen. Das Forschertrio weist insbesondere darauf hin, dass ein großer Radiobogen genau den Himmelsausschnitt durchkreuzt, der vom BICEP2-Team untersucht worden ist. Endgültigen Aufschluss über die Bedeutung der Polarisation kann wohl nur die noch für dieses Jahr erwartete Auswertung der Daten der Raumsonde Planck geben. Denn Planck hat die Polarisation der kosmischen Hintergrundstrahlung bei mehreren Frequenzen untersucht: Ein Vordergrundsignal wäre frequenzabhängig, eine echtes Signal vom Urknall dagegen nicht. „Generell muss man die Möglichkeit sehr ernst nehmen, dass es Kontaminationen in den BICEP2-Daten gibt“, sagt Torsten Enßlin vom Max-Planck-Institut für Astrophysik. „Das BICEP2-Team konnte nicht wirklich überprüfen, ob solche Kontaminationen vorhanden sind.“ Denn dazu hätte man nicht nur bei einer, sondern bei mehreren Frequenzen messen müssen. Das hat der europäische Astronomiesatellit Planck getan, aber die Auswertung werde wohl noch bis Oktober dauern, so der Astrophysiker.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2014/supernovareste-statt-gravitationswellen/