Schwarzes Loch widerspricht Theorie
Rainer Kayser
Das Schwarze Loch CID-947 enthielt bereits 1,9 Milliarden Jahre nach dem Urknall die ungewöhnlich große Masse von sieben Milliarden Sonnenmassen. Das entspricht etwa zehn Prozent der Gesamtmasse seiner Wirtsgalaxie. Zudem besitzt die Galaxie trotz der starken Strahlung des supermassereichen Schwarzen Lochs weiter eine hohe Sternentstehungsrate. Das zeigen Beobachtungen eines internationalen Forscherteams mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii. Damit stehe das Objekt im Widerspruch zu den Modellen der gemeinsamen Entwicklung von Galaxien und ihren zentralen Schwarzen Löchern, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.
„Supermassereiche Schwarze Löcher und ihre Wirtsgalaxien entwickeln sich gemeinsam – so die allgemeine Annahme“, schreiben Benny Trakhtenbrot von der ETH Zürich und seine Kollegen. „Die Schwarzen Löcher enthalten am Ende dieser Entwicklung typischerweise 0,2 bis 0,5 Prozent der Masse ihrer Galaxie.“ Die von den wachsenden Schwarzen Löchern ausgehende Strahlung beeinflusst die Bildung neuer Sterne und bläst die zunächst rasante Sternenentstehung schließlich geradezu aus. Während zahlreiche Beobachtungen im älteren Kosmos dieses Modell stützten, sei die Relevanz des Szenarios im jungen Kosmos nicht etabliert, so die Forscher.
Trakhtenbrot und seine Kollegen haben sich deshalb mit dem zehn Meter großen Keck-Teleskop auf die Suche nach den zentralen Schwarzen Löchern in der Epoche etwa zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall gemacht. Der Blick der Astronomen in die Tiefen des Alls ist zugleich ein Blick zurück in die Vergangenheit des Kosmos: Benötigt das Licht einer Galaxie 11,8 Milliarden Jahre zur Erde, so sehen die Forscher das Sternsystem so, wie es vor 11,8 Milliarden Jahren ausgesehen hat, also zwei Milliarden Jahre nach der Entstehung des Universums. Bereits das erste Objekt, das Trakhtenbrot und sein Team ins Visier nahmen, sorgte für eine Überraschung. Mit seinen sieben Milliarden Sonnenmassen zählt es nicht nur zu den massereichsten Schwarzen Löchern im Kosmos. Es befindet sich zudem entgegen den Erwartungen der Astronomen nicht in einer entsprechend übergewichtigen, sondern einer ganz normalen Galaxie.
„Offenbar ist das Schwarze Loch erheblich effektiver gewachsen als die Galaxie“, so die Forscher, „ganz im Gegensatz zur Annahme einer synchronen Evolution.“ Und CID-947 wartete noch mit einer zweiten Überraschung auf: Trotz des rasant gewachsenen Schwarzen Lochs zeigt die Galaxie unbeeindruckt eine hohe Sternentstehungsrate. Es gäbe offenbar, so folgern Trakhtenbrot und seine Kollegen, zumindest einige sehr massereiche Schwarze Löcher, die sich anders entwickeln, als es das Standardmodell vorhersagt. Möglich sei auch, dass sich Schwarze Löcher in Abhängigkeit von ihrer Masse ganz unterschiedlich entwickeln.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2015/schwarzes-loch-widerspricht-theorie/