Wenig Staub in jungen Galaxien

Beobachtungen mit dem Radioteleskop ALMA zeigen eine schnelle Evolution im frühen Kosmos.

Rainer Kayser

Große Geräte mit Schüsseln und darüber gebogenen Metallstangen stehen auf Erde und sind in den darüber liegenden Nachthimmel voller Sterne ausgerichtet.

Junge Galaxien im frühen Kosmos enthalten zwar bereits viel Kohlenstoff, aber noch sehr wenig Staub. Das zeigen Beobachtungen eines internationalen Forscherteams mit der großen Radioteleskop-Anlage ALMA in der chilenischen Atacama-Wüste. Demnach haben sich die Sternsysteme in der Zeit zwischen einer und drei Milliarden Jahren chemisch rasanter entwickelt als bislang angenommen. Die Messungen zeigen auch, dass die jungen Galaxien bereits ähnlich groß und massereich wie die Sternsysteme im heutigen Kosmos waren, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

Himmelsausschnitt von dem vier Pfeilartige Strichpaare abgehen, am Ende derer vergrößerte Lichtflecken in unterschiedlichen Farben abgebildet sind.

Junge Galaxien beobachtet mit ALMA

„Wir versuchen zu verstehen, wie aus dem ursprünglichen Gas aus Wasserstoff und Helium nach dem Urknall das heutige interstellare Medium mit seinen schweren Elementen und komplexen Molekülen entstanden ist“, sagt Peter Capak vom California Institute of Technology. Alle schweren Elemente – und damit die Bausteine für Planeten und Lebewesen – sind erst durch Kernfusion in Sternen entstanden und durch die Explosion massereicher Sterne in das interstellare Medium gelangt. Demnach sollte es in jungen Galaxien deutlich weniger schwere Elemente und damit auch weniger Staub geben als in den heutigen Galaxien.

Bisherige Untersuchungen konnten diese Vorhersage jedoch nicht bestätigen. Capak und seine Kollegen haben nun mit ALMA, dem aus insgesamt 66 Antennen mit sieben bis zwölf Metern Durchmesser bestehenden „Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array“, neun Galaxien beobachtet, deren Strahlung knapp zwölf Milliarden Jahre zur Erde benötigt. Damit sehen die Forscher die Sternsysteme so, wie sie vor zwölf Milliarden Jahren, also knapp eine Milliarde Jahre nach dem Urknall, ausgesehen haben. Dank der hohen Empfindlichkeit von ALMA konnte das Team erstmals einen extrem geringen Staubanteil, zugleich aber auch einen überraschend hohen Anteil an Kohlenstoff in den jungen Galaxien nachweisen.

Da Kohlenstoff eine hohe Affinität zu anderen Elementen besitzt und sich somit schnell zu einfachen und komplexen organischen Stoffen verbindet, ist ein hoher Kohlenstoff-Anteil ein Indiz für einen extrem geringen Anteil an anderen schweren Elementen. „Bereits zwei Milliarden Jahre später hat sich das Bild komplett gewandelt“, so Capak, „dann finden wir wenig Kohlenstoff und viel aus schweren Elementen aufgebauten Staub in den Galaxien.“ In diesem Zeitraum müsse also eine gewaltige chemische Evolution in den Galaxien stattgefunden haben.

Das Team konnte mit ALMA auch die Geschwindigkeit der Gaswolken in den jungen Galaxien messen – bis zu 380 Kilometer pro Sekunde – und daraus die Massen der Sternsysteme bestimmen. Zur Überraschung der Forscher erwiesen sich die jungen Sternsysteme bereits als ebenso massereich wie heutige, entwickelte Galaxien. Bislang waren die Astronomen davon ausgegangen, dass die Sternsysteme in dieser frühen kosmischen Epoche noch geringere Massen besaßen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2015/wenig-staub-in-jungen-galaxien/