Sonnenstürme als Lebensquelle
Jan Oliver Löfken
Ohne das Licht der Sonne haben weder Pflanzen noch Tiere auf der Erde eine Chance zu überleben. Gewaltige Sonnenstürme könnten vor vier Milliarden Jahren die Grundlage für irdisches Leben gelegt haben. Zu diesem Ergebnis kommen Astrophysiker, die den Einfluss von hochenergetischen, solaren Teilchenströmen auf die frühe Erdatmoshäre simuliert haben. In der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ präsentieren sie ihre Hypothese, die eine Erklärung für ausreichend Wärme auf der Erde und für chemische Verbindungen, aus denen sich Leben entwickelt haben könnte, liefert.
„Unser Modell beschreibt die kosmischen Zutaten, die für eine Entwicklung von Molekülen für biologisches Leben nötig sind“, sagt Vladimir Airapetian vom NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt, USA. Zusammen mit seinen Kollegen simulierte er die Auswirkungen von starken Sonnenstürmen auf die frühe Erdatmosphäre, die vor allem aus Stickstoff, Kohlendioxid und Methan bestand. Die Grundlage dazu lieferten Beobachtungen von jungen Sternen, deren Aktivität mit der der Sonne vor vier Milliarden Jahren vergleichbar ist.
So halten es die Forscher für wahrscheinlich, dass auf der Oberfläche der jungen Sonne weitaus gewaltigere Stürme tobten als heute. Sonnenstürme sollen eine so große magnetische Aktivität gehabt haben, dass sie das Erdmagnetfeld an den Polen massiv geschwächt haben könnte. Dadurch könnten neben Röntgen- und UV-Strahlung auch Protonen mit einer enormen Energie von drei Gigaelektronenvolt täglich in die Erdatmosphäre gedrungen sein, so beschreibt es zumindest das Modell. Weitere Simulationen zeigten, dass diese Energie ausreichte, um in einer Kettenreaktion Lawinen von Elektronen zu erzeugen. Trafen diese auf eigentlich reaktionsträge Stickstoffmoleküle, konnten sich diese Moleküle aufspalten und neue Verbindungen wie Lachgas oder Cyanwasserstoff, auch Blausäure genannt, bilden.
Cyanwasserstoff gilt als ein Basismolekül für chemische Reaktionen zu komplexeren, stickstoffhaltigen Aminosäuren, die sich auch zu Proteinen zusammensetzen können. Lachgas, also Distickstoffmonoxid, wiederum ist ein sehr wirksames Treibhausgas, das vor vier Milliarden Jahren wesentlich zur Erwärmung beigetragen haben könnte, um auf der Erdoberfläche überhaupt gemäßigte Temperaturen über dem Gefrierpunkt zu ermöglichen.
Mit ihrer Simulation bieten die NASA-Forscher eine schlüssige Erklärung für die zur Entwicklung von Leben notwendigen Randbedingungen. Bisher vermuteten Forscher, dass die für die Aufspaltung von Stickstoffmolekülen nötige Energie aus Blitzen, ultravioletter Strahlung oder Einschlägen von Meteoriden resultierte. „Nun könnten auch solare Superstürme eine signifikante Rolle für die Erwärmung der Erdoberfläche und für die Entstehung von Leben vor vier Milliarden Jahren gespielt haben“, kommentiert Ramses Ramirez vom Carl Sagan Institute in Ithaka die Arbeit der Fachkollegen.
Nicht nur für die Erde könnten die gewaltigen Stürme der jungen Sonne eine entscheidende Rolle gespielt haben. So ist es nur plausibel, dass auch der Nachbarplanet Mars von den hochenergetischen Partikelströmen beeinflusst wurde. Details dazu werden Airapetian und Kollegen in Kürze in einer weiteren Studie präsentieren. „Und unser Modell verändert signifikant die Definition von möglichen Lebensbedingungen, die auch auf Exoplaneten herrschen könnten“, sagt Airapetian.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2016/sonnenstuerme-als-lebensquelle/