Sternexplosionen in Erdnähe
Rainer Kayser
Nicht nur eine, sondern gleich eine ganze Reihe naher Sternexplosionen hat in den vergangenen zehn Millionen Jahren die Entwicklung der Erde beeinflusst. Das zeigt die Untersuchung von Sedimentablagerungen aus dem Pazifik, dem Atlantik und dem Indischen Ozean durch ein internationales Forscherteam. Die beiden am nächsten gelegenen Supernovae explodierten vermutlich vor 2,3 und 1,5 Millionen Jahren in einer Entfernung von etwa 325 Lichtjahren, so das Ergebnis einer zweiten Forschergruppe. Die nahen Explosionen gingen jeweils mit auffälligen Veränderungen des irdischen Klimas einher, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.
„Sternexplosionen in der Umgebung der Erde lassen sich mithilfe radioaktiver Elemente mit langen Halbwertszeiten nachweisen“, sagen Anton Wallner von der Australian National University und seine Kollegen. Besonders geeignet ist das Isotop Eisen-60 mit einer Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren. Es kommt auf der Erde praktisch nicht natürlich vor, wird aber von Supernovae in großen Mengen ins All geschleudert. Explodiert ein Stern nahe genug an der Erde, so trifft dieses Eisen-60 schließlich als interstellarer Staub auf die Atmosphäre und lagert sich am Meeresboden ab.
Bereits vor zehn Jahren stießen Forscher der TU München auf Eisen-60 in Sedimenten aus dem Pazifik. Das internationale Team um Wallner untersuchte nun systematisch 120 Proben aus drei Ozeanen, die eine Zeitspanne von elf Millionen Jahren abdecken. In allen Proben fanden sich Anreicherungen von Eisen-60 in gleich zwei langen Zeitspannen, und zwar vor 1,5 bis 3,2 Millionen Jahren sowie vor 6,5 bis 8,7 Millionen Jahren. „Wir waren überrascht, dass diese Supernova-Trümmer über so lange Zeiträume verteilt sind“, so Wallner, „denn das zeigt, dass es sich jeweils um eine ganze Serie von nahen Sternexplosionen gehandelt haben muss.“
Seit langem vermuten Astronomen, dass die „lokale Blase“ um unser Sonnensystem durch solche Sternexplosionen entstanden ist. Die lokale Blase ist eine mindestens 300 Lichtjahre große Region, die mit einem sehr dünnen, heißen Plasma angefüllt ist. Explodierende Sterne einer größeren Sternengruppe – vermutlich der Scorpius-Centaurus-Gruppe – könnten diese Blase erzeugt haben. Dieter Breitschwerdt von der TU Berlin und seine Kollegen haben nun die Entwicklung der Scorpius-Centaurus-Gruppe, sowie den Transport des Eisen-Isotops zur Erde untersucht und mit den beobachteten Eisen-60-Spuren der Supernovae abgeglichen. Sie kommen zu dem Schluss, dass insbesondere zwei Supernovae in 325 Lichtjahren Entfernung zu den Ablagerungen beigetragen haben.
Die nahen Sternexplosionen haben offenbar auch das Klima auf der Erde beeinflusst. So kühlte sich unser Planet sowohl vor acht Millionen als auch vor drei Millionen Jahren merklich ab. Zwar waren die Entfernungen der Supernovae so groß, dass es nicht durch die damit einhergehende Strahlung zu einem massenhaften Artensterben kam. Gleichwohl sehen die Forscher die Möglichkeit, dass die klimatischen Veränderungen nicht nur die Evolution der Fauna und Flora, sondern auch die Entwicklung des Vor- und Frühmenschen beeinflusst haben könnten.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2016/sternexplosionen-in-erdnaehe/