Wie Riesengalaxien anwachsen

Radiobeobachtungen zeigen den Zustrom gewaltiger Mengen an kaltem Gas auf die zehn Milliarden Lichtjahre entfernte Spinnennetz-Galaxie.

Rainer Kayser

Große, in eine leuchtende Wolke eingebettete Galaxie, umgeben von vielen kleinen Galaxien.

Riesengalaxien in den Zentren von Galaxienhaufen wachsen durch den Zustrom gewaltiger Mengen an kaltem Gas aus ihrer Umgebung an. Das zeigen Beobachtungen eines internationalen Forscherteams mit dem Australia Telescope Compact Array und dem Very Large Array in den USA. Der Zustrom dieses kalten Gases erkläre auch die Entstehung von mehreren Hundert Sternen pro Jahr in der untersuchten Galaxie, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

„Die Entstehung der größten Galaxien im Universum ist nach heutigen Erkenntnissen ein zweistufiger Prozess“, schreiben Bjorn Emonts vom Zentrum für Astrobiologie in Madrid und seine Kollegen. „Zehn Milliarden Jahre lang sind die Riesengalaxien vor allem durch Kannibalismus angewachsen, also dadurch, dass sie mit kleineren Galaxien verschmelzen. Computersimulationen zeigen jedoch, dass diese Systeme bereits vorher große Mengen an Gas aufgenommen haben, aus denen Sterne entstanden sind.“ Das deckt sich mit der Beobachtung, dass sich bereits im jungen Kosmos – wenige Milliarden Jahre nach dem Urknall – Riesengalaxien im Zentrum entstehender Galaxienhaufen finden lassen.

Doch bislang fehlte ein direkter Nachweis des ersten Entwicklungsschritts. Dieser gelang Emonts und seinen Kollegen jetzt mit ihrem aufwendigen Beobachtungsprojekt am Beispiel der zehn Milliarden Lichtjahre entfernten Spinnennetz-Galaxie. Die Galaxie trägt ihren Namen, weil sie in ein Netz aus Filamenten eingebettet ist, in dem sich auch kleinere Galaxien befinden. Diese Zwerggalaxien dürften in der weiteren kosmischen Geschichte von der Riesengalaxie vereinnahmt werden. Die insgesamt 98 Stunden dauernden Radiobeobachtungen zeigen darüber hinaus erstmals den Zustrom von kaltem Gas auf die Riesengalaxie: Nahe der Galaxie findet sich eine Gaswolke, die eine Million Lichtjahre groß ist und die hundertmilliardenfache Masse der Sonne besitzt.

Das minus 200 Grad Celsius kalte Gas besteht zwar hauptsächlich aus Wasserstoff, doch erfassten die Astronomen mit ihren Beobachtungen auch das leichter nachweisbare Kohlenmonoxid. Da Kohlenstoff und Sauerstoff nicht beim Urknall entstanden, sondern durch Kernfusion im Inneren von Sternen hergestellt werden, muss zumindest ein Teil des von Emonts und seinen Kollegen nachgewiesenen Gases gewissermaßen recycelt sein: Sterne produzierten die Elemente, Sternwinde und Sternexplosionen schleuderten sie ins All hinaus und von dort gelangten sie in den intergalaktischen Raum. Weitere Beobachtungen müssen nun klären, welche Prozesse dafür verantwortlich sind, wie sich das Gas abkühlt und warum es sich im Zentrum von Galaxienhaufen ansammelt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2016/wie-riesengalaxien-anwachsen/