„Ein erstaunlich homogenes Magnetfeld“
Dirk Eidemüller
Magnetfelder spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Galaxien, etwa bei der Sternentstehung. Mit dem Very Large Array in den USA ist es Astronomen gelungen, das Magnetfeld einer weit entfernten Galaxie so genau wie nie zuvor zu vermessen. Demnach besaß das System bereits vor einigen Milliarden Jahren große einheitliche Magnetfelder, wie das Team nun in der Fachzeitschrift „Nature Astronomy“ berichtet. Welt der Physik sprach darüber mit Sui Ann Mao vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Welt der Physik: Sie haben die Magnetfelder einer sehr weit entfernten Galaxie vermessen. Was können wir aus solchen Messungen lernen?
Sui Ann Mao: Die Messungen an weit entfernten Galaxien zeigen, wie sich die anfangs noch schwachen und ungeordneten galaktischen Magnetfelder über kosmische Zeiträume zu großräumigen, geordneten Feldern entwickelt haben. Denn Magnetfelder spielen eine wichtige Rolle für die gesamte Entwicklung einer Galaxie – sowohl auf kleinen wie auf ganz großen Skalen.
Wie beeinflussen Magnetfelder eine Galaxie?
Zum einen beeinflussen sie die Sternentstehung. Außerdem haben galaktische Magnetfelder einen Einfluss auf die kosmische Strahlung. Und schließlich bestimmen Magnetfelder, wie Gasströme in eine Galaxie hinein- oder aus ihr hinausfließen.
Wie weit war die untersuchte Galaxie entfernt?
Die Galaxie liegt in einer Entfernung von knapp fünf Milliarden Lichtjahren. Als sich das Licht von dort zu uns auf die Reise machte, hatte unser Universum also nur rund zwei Drittel seines jetzigen Alters.
Was haben Ihre Messungen gezeigt?
Das Überraschende an unseren Messungen ist, dass wir bei einer so weit entfernten Galaxie ein erstaunlich homogenes Magnetfeld nachweisen konnten. Das ist ein neuer Rekord. Die bislang am weitesten entfernte Galaxie, bei der wir von einem so ausgeprägten Magnetfeld wussten, ist „nur“ vier Milliarden Lichtjahre entfernt.
Wie haben Sie es geschafft, das Magnetfeld über eine so große Distanz so präzise zu vermessen?
Wir haben nicht das Licht dieser Galaxie untersucht, sondern das eines dahinter liegenden Blazars. Das ist ein riesiges Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie, das sehr aktiv ist und starke Strahlung aussendet. Der Blazar ist 7,9 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt und hat eine besondere Eigenschaft, die unsere Messungen erst möglich machte: Er sendet sehr starke, polarisierte Radiostrahlung aus. Polarisiert bedeutet, dass sie in einer bestimmten Richtung schwingt. Der Blazar liegt nun genau hinter der untersuchten Galaxie und seine Radiostrahlung „durchleuchtet“ diese Galaxie. Aufgrund des sogenannten Gravitationslinseneffekts sehen wir nun insgesamt zwei Radiobilder der untersuchten Galaxie. Die galaktischen Magnetfelder sorgen nun dafür, dass sich die Polarisationsrichtung der Radiostrahlung aufgrund des sogenannten Faraday-Effekts ändert. Durch den Vergleich der beiden Bilder konnten wir so ermitteln, dass das Magnetfeld der Galaxie im Vordergrund schon sehr ausgeprägt ist – und das zu einem so frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Universums. Das Feld ähnelt dem der Milchstraße oder dem unserer Nachbargalaxien. Es ist ähnlich stark und ebenfalls achsensymmetrisch. Die magnetischen Feldlinien winden sich also um die Rotationsachse der Galaxie. Die untersuchte Galaxie war also damals schon – zumindest was ihr Magnetfeld betrifft – überraschend weit entwickelt.
Wie kann man sich das Herausbilden eines homogenen galaktischen Magnetfelds vorstellen?
Dies ist ein Prozess, der lange dauern kann. Wie lange genau, hängt nicht zuletzt vom Typ der Galaxie ab. Aber Simulationen deuten auf einen Zeitraum von einigen Hundert Millionen Jahren bis zu einer Milliarde Jahren hin. Anfangs besitzt eine Galaxie kein einheitliches Magnetfeld – stattdessen gibt es überall in der Galaxie kleine, ungeordnete magnetische Regionen. Durch die typische Rotation von Galaxien, bei der innen liegende Bereiche schneller rotieren als weiter außen liegende, kommt es dann zu einem großräumigen Dynamoeffekt. Dieser wandelt die kinetische Energie der Gasbewegung in magnetische Energie um. Im Lauf von Jahrmillionen bildet sich so Stück für Stück ein immer homogeneres Magnetfeld heraus. Ereignisse wie Sternexplosionen sorgen aber immer wieder für Turbulenzen und bringen die magnetischen Feldlinien hinaus aus der galaktischen Scheibe.
Die Kombination aus Blazar und einer davorliegenden Galaxie ist natürlich ein glücklicher Zufall. Gibt es noch andere Kandidaten, die sich für eine solche Untersuchung eignen?
Insgesamt sind nur wenige Dutzend derartige Systeme bekannt, bei denen ein stark im Radiobereich strahlender Blazar eine im Vordergrund liegende Galaxie durchleuchtet und dabei Gravitationslinseneffekte auftreten. Diese Zahl reduziert sich leider nochmals deutlich, weil nur wenige dieser Blazare polarisierte Radiowellen erzeugen, wie wir sie für unsere Analysen benötigen. Nun haben wir unsere Untersuchungen mit dem Very Large Array in den USA gemacht. Das ist zwar sehr leistungsstark, aber das kommende Square Kilometer Array, das sich gegenwärtig in Südafrika und Australien im Aufbau befindet, wird noch viel leistungsfähiger sein. Damit werden wir noch sehr viel mehr Kandidatensysteme ausfindig machen, sodass wir unsere Methode hoffentlich an noch weiter entfernten Galaxien anwenden können.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2017/wir-konnten-ein-erstaunlich-homogenes-magnetfeld-nachweisen/