Gebirgswinde beeinflussen Rotation der Venus

Das Wechselspiel zwischen der festen Oberfläche und der dichten Atmosphäre beeinflusst offenbar die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten.

Rainer Kayser

Links im Bild ist die Venussonde Akatsuki zu sehen und rechts der Planet Venus.

JAXA

Die Venus ist etwa so groß wie die Erde – um sich einmal um sich selbst zu drehen, benötigt sie allerdings 243 Erdentage. Im Lauf der Zeit haben verschiedene Raumsonden die Rotationsdauer des Planeten gemessen und kamen zu leicht unterschiedlichen Ergebnissen. Dieser Effekt könnte – zumindest zum Teil – durch heftige Aufwinde an einer Hochgebirgsregion entstehen, spekulieren einige Wissenschaftler nun im Fachblatt „Nature Geoscience“. Laut ihren Computersimulationen beeinflussen die Winde die Rotationsdauer der Venus um wenige Minuten.

Mit der japanischen Raumsonde Akatsuki hatten Forscher eine 10 000 Kilometer lange, bogenförmige Struktur in der Hochatmosphäre des Planeten entdeckt, die sich offenbar nicht fortbewegt. Bei dem Phänomen handelt es sich vermutlich um eine sogenannte atmosphärische Welle, ausgelöst durch Aufwinde an der Hochgebirgsregion Aphrodite Terra. Solche periodischen Wolkenstrukturen lassen sich auch in der Erdatmosphäre beobachten, allerdings in viel kleinerem Maßstab. „Niemals zuvor haben wir in einer Planetenatmosphäre eine Störung mit einer derart enormen Ausdehnung gesehen“, schreiben Thomas Navarro von der University of California in Los Angeles und seine Kollegen.

Eine Aufnahme der Venusatmosphäre. In der linken Hälfte der Venus ist eine bogenförmige Struktur zu erkennen.

Venusatmosphäre

Die dichte Atmosphäre der Venus fegt mit knapp 400 Kilometern pro Stunde um den Planeten. Mit neuen Strömungsmodellen untersuchten Wissenschaftler um Navarro nun die Wechselwirkung zwischen diesen starken Winden und der Planetenoberfläche. Und tatsächlich gelang es ihnen erstmals, die Entstehung der planetenweiten atmosphärischen Welle zu reproduzieren. Die Simulationen zeigen, dass sich die stationäre Welle am Nachmittag eines Venustages bildet – ausgelöst durch tageszeitlich bedingte Schwankungen des Atmosphärendrucks. Ein weiteres Ergebnis: Die mit der atmosphärischen Welle einhergehenden Dichteschwankungen in der Atmosphäre ändern das Trägheitsmoment der Venus und damit ihre Rotationsgeschwindigkeit. Laut den Modellen ändert sich die Tageslänge dadurch um etwa zwei Minuten.

„Die Wechselwirkung zwischen Planetenkörper und Atmosphäre könnte damit einen Teil der Differenzen erklären, die zwischen den Messungen verschiedener Raumsonden in den vergangenen vierzig Jahren bestehen“, so die Forscher. Die Unterschiede betragen bis zu sieben Minuten. Künftig wollen Navarro und seine Kollegen das Computermodell weiterentwickeln und zusätzliche Effekte berücksichtigen, wie etwa die Gezeitenwirkung der Sonne. Auch höher aufgelöste Beobachtungen des Phänomens seien wünschenswert. Je besser man den zugrunde liegenden Mechanismus verstehe, desto genauer ließe sich das Trägheitsmoment der Venus bestimmen. Und das wiederum liefere Informationen über den inneren Aufbau des Planeten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2018/gebirgswinde-beeinflussen-rotation-der-venus/