„Durch den Axionwind“

Dirk Eidemüller

Viele Sterne im All

NASA/Goddard

Ein großer Teil der gesamten Materie im Weltall besteht aus sogenannter Dunkler Materie. Mit verschiedenen Experimenten versuchen Forscher herauszufinden, woraus diese unsichtbare Form der Materie besteht. Ein möglicher Kandidat sind Axionen, die kaum Masse besitzen und fast nicht mit sichtbarer Materie wechselwirken. Nun haben sich Forscher den Eigendrehimpuls – oder Spin – von Atomkernen zunutze gemacht, um diesen bislang hypothetischen Elementarteilchen auf die Spur zu kommen. Was die jetzt in der Zeitschrift „Science Advances” veröffentlichten Ergebnisse über Axionen verraten, erzählt der beteiligte Physiker Arne Wickenbrock von der Universität Mainz im Interview.

Welt der Physik: Sie suchen nach einem bestimmten Kandidaten für Dunkle Materie. Welcher ist das?

Porträt des Wissenschaftlers Arne Wickenbrock

Arne Wickenbrock

Arne Wickenbrock: Es gibt verschiedene theoretische Ansätze, die die Dunkle Materie zu erklären versuchen. Früher gingen die meisten dieser Ansätze davon aus, dass es sich um sehr schwere exotische Teilchen handelt, die nur schwach mit gewöhnlicher Materie wechselwirken – sogenannte WIMPs, kurz für Weakly Interacting Massive Particle. Trotz intensiver Suche hat man aber noch kein solches Teilchen gefunden. Seit einigen Jahren gibt es nun schon interessante Ansätze, denen zufolge auch viele leichte Teilchen die Dunkle Materie ausmachen könnten. Ein möglicher Kandidat wird Axion genannt. Diese Teilchen können je nach Modell etwas unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Wir suchen allgemein nach axionähnlichen oder – wie wir sagen – axionischen Teilchen.

Wie würden sich diese exotischen Teilchen bemerkbar machen?

Diese Teilchen können sich nur über sehr subtile Effekte bemerkbar machen, da Dunkle Materie ja fast überhaupt nicht mit normaler Materie wechselwirkt. Die axionischen Teilchen sind sehr leicht, sehr häufig und rotieren gemäß kosmologischer Modelle auch nicht gleichförmig mit der normalen Materie um das Zentrum der Galaxie. Die Erde mitsamt unserem ganzen Sonnensystem umkreist das galaktische Zentrum mit einer Geschwindigkeit von rund 220 Kilometern pro Sekunde. Wenn es axionische Teilchen gibt, fliegen wir also mit einer gewissen Geschwindigkeit durch die Axionen hindurch. Dieser „Axionwind“ sollte nun bestimmte Messungen beeinflussen.

Wie versuchen Sie, Axionen nachzuweisen?

Axionische Teilchen haben die Eigenschaft zu oszillieren, ganz ähnlich wie das elektromagnetische Wechselfeld einer Lichtwelle. Der Axionwind beeinflusst die Kernspins – also die winzigen Magnetnadeln in den Atomkernen – wie ein ganz schwaches Wechselfeld und bringt sie zum Wackeln. Wir können in einem stark abgeschirmten Experiment nun mithilfe der Kernresonanzspektroskopie das Wackeln der Kernspins beobachten. Wenn der Axionwind diese Kernspins spürbar hin- und herschubst, würde sich das bei uns als charakteristisches Signal bemerkbar machen.

Zwei Forscher arbeiten an einem zylinderförmigen Instrument.

CASPEr-Experiment

Haben Sie schon ein solches Teilchen gefunden?

Nein, wir können bislang nur angeben, in welchen Bereichen axionische Teilchen nicht zu finden sind. So können wir mit hoher Sicherheit ausschließen, dass es extrem leichte und stark wechselwirkende axionische Teilchen gibt. Aber wir sind mit unseren Messungen auch erst am Anfang. Mit neuen Methoden wollen wir die Nachweisempfindlichkeit um mehrere Größenordnungen erhöhen und damit einen größeren Bereich möglicher axionischer Kandidaten abdecken – also insbesondere nach schwereren und weniger wechselwirkenden Teilchen suchen.

Sie arbeiten aber nicht als einzige Gruppe an diesen Nachweismethoden?

Wir sind Teil einer internationalen Kollaboration namens CASPEr. Das steht für Cosmic Axion Spin Precession Experiment und die Experimente finden in Mainz und Boston statt, wobei wir mit einer unterschiedlichen Methode an die Sache herangehen. Unsere Ansätze sind komplementär, sodass wir ein möglichst breites Spektrum an axionischen Kandidaten abdecken können.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/durch-den-axionwind/