Taumelnder Neutronenstern

Astronomen bestätigen erneut die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein mit Untersuchungen eines schnell rotierenden Neutronensterns.

Rainer Kayser

Das Bild zeigt eine Luftaufnahme des Arecibo-Observatoriums. Das Observatorium hängt in der Luft und ist durch Seile an drei Pfeilern befestigt.

Courtesy of the NAIC – Arecibo Observatory, a facility of the NSF

Albert Einstein hat wieder einmal recht – der Neutronenstern PSR J1906+0746 ändert seine Rotationsrichtung gerade so, wie von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt. Das zeigen Beobachtungen von Astronomen mit einem Radioteleskop. Ursache dieser Präzession der Rotationsachse ist das starke Gravitationsfeld eines weiteren Neutronensterns, der gemeinsam mit dem schnell rotierenden Neutronenstern – auch Pulsar genannt – ein Doppelsystem bildet. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“ berichten, werden die Radiopulse von PSR J1906+0746 durch die Änderung der Rotationsachse bis zum Jahr 2028 ganz verschwinden.

Pulsare sind Neutronensterne mit einem starken Magnetfeld, von dessen magnetischen Polen stark gebündelte Radiostrahlung ausgeht. Das Magnetfeld ist im Allgemeinen gegen die Rotationsachse des Neutronensterns geneigt, sodass der gebündelte Radiostrahl durchs Weltall rotiert. Trifft der Radiostrahl auf die Erde, lassen sich regelmäßige Pulse beobachten. Der Pulsar PSR J1906+0746, den Gregory Desvignes vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und seine Kollegen über ein Jahrzehnt mit dem Arecibo-Observatorium in Puerto Rico überwachten, hat beispielsweise eine Periode von 144 Millisekunden.

Im Jahr 2005 zeigten Messungen von Desvignes und seinen Kollegen zunächst nicht nur einen, sondern zwei Radiopulse pro Umdrehung – die Erde wurde damals von der Strahlung beider magnetischer Pole getroffen. Im Laufe der Zeit wurde einer der Pulse allerdings schwächer und verschwand 2016 schließlich ganz, denn die Lage der Rotationsachse hatte sich verändert. „Pulsare in Doppelsystemen werden durch relativistische Effekte beeinflusst“, erläutern Desvignes und seine Kollegen. „Das führt zu einer Präzession der Rotationsachse des Pulsars. Damit ändert sich die Geometrie der Beobachtungssituation.“

Aus diesen Daten, sowie weiteren Messungen konstruierten die Forscher nun ein detailliertes Modell des Doppelsystems. In diesem Modell stimmt die Präzession der Rotationsachse – mit der sich das Verschwinden des einen Radiopulses erklären lässt – mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie überein. Allerdings lässt sich nicht vollständig ausschließen, dass auch andere Konfigurationen des Doppelsystems dafür verantwortlich sein könnten. Doch das Modell macht eine Vorhersage: Die Präzession der Rotationsachse des Pulsars PSR J1906+0746 sollte demnach bis zum Jahr 2028 zu einem völligen Verschwinden der Radiopulse führen – und das würde das Modell der Forscher bestätigen. Der Pulsar bleibt daher unter intensiver Beobachtung.


Gregory Desvignes

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/taumelnder-neutronenstern/