Verschmelzende Neutronensterne als Reaktor

Astronomen haben erstmals ein chemisches Element identifiziert, das durch die Kollision zweier Neutronensterne entstand.

Redaktion

Künstlerische Darstellung zweier Sterne im Weltall, die an einem Punkt verschmelzen

University of Warwick/Mark Garlick

Die Herkunft von schweren Elementen wie Gold, Blei und Uran ist bis heute nicht völlig geklärt. Während die leichtesten Elemente – wie Wasserstoff und Helium – bereits kurz nach dem Urknall entstanden, wurden schwerere Elemente bis hin zum Eisen erst später durch Kernfusion in Sternen erzeugt. Als Quelle von noch massereicheren Atomen vermuten Wissenschaftler seltene Formen von Sternexplosionen und die Kollision von Neutronensternen. Ein internationales Astronomenteam liefert nun erstmals den eindeutigen Nachweis, dass zwei verschmelzende Neutronensterne tatsächlich die Voraussetzungen für das Entstehen von massereichen Elementen schaffen.

Der für die Synthese verantwortliche Mechanismus ist der sogenannte r-Prozess, auch bekannt als schneller Neutroneneinfang. Bereits vorhandene Atomkerne nehmen dabei gleichzeitig mehrere Neutronen auf und zerfallen dann rasch zu stabilen neutronenreichen Kernen oder zu instabilen langlebigen Isotopen von Uran und Plutonium. Da dieser Prozess einen extrem großen Neutronenfluss voraussetzt und in wenigen Sekunden abläuft, ist er nur in einem explosiven Szenario wie einer Supernova oder dem Verschmelzen zweier Neutronensterne – also den extrem dichten Überresten von massereichen Sternen – vorstellbar.

Grafikaus aus drei Bildern: Als weiße Kugeln dargestellt Neutronen aus einer Richtung ballen sich zusammen und bewegen sich als Ganzes nach rechts; Neutronen – rote Kugeln – haben sich im Gemenge gebildet, die Elektronen – grüne Kugeln – und Antineutrinos – blaue Kugeln – abgeben; der Prozess wiederholt sich

Illustration des r-Prozesses

Im August 2017 verfolgten Astronomen mit Teleskopen auf der gesamten Welt, wie zwei Neutronensterne in der 130 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie NGC 4993 zusammenstießen und miteinander verschmolzen. Sie registrierten das Ereignis als Gammastrahlungsausbruch, als Gravitationswellensignal und auch als starken Helligkeitsanstieg im sichtbaren Bereich. Ausgelöst wurde dieses Nachleuchten, das innerhalb weniger Tage wieder verblasste, durch den radioaktiven Zerfall schwerer Elemente: Die kollidierenden Neutronensterne stießen neutronenreiche Materie ab, die sich mit extremen Geschwindigkeiten nach außen bewegte. In dieser expandierenden Hülle bilden sich durch den r-Prozess neue Elemente, darunter auch instabile Atomkerne. Die erste Analyse der aufgezeichneten Lichtspektren bestätigte dieses Szenario. Ein klares Ergebnis über die Zusammensetzung der Reaktionsprodukte lieferte sie allerdings nicht.

Darach Watson von der Universität Kopenhagen und seine Kollegen werteten die Spektren nun erneut aus – und konnten darin eindeutig die Signatur des Elements Strontium nachweisen. Laut der neuen Analyse beläuft sich die Menge des produzierten Strontiums in der expandierenden Materiehülle auf etwa fünf Erdmassen. Die neue Studie belege erstmals, dass verschmelzende Neutronensterne den r-Prozess ermöglichen. „Die Ergebnisse dieser Arbeit sind ein wichtiger Schritt bei der Entschlüsselung der Nukleosynthese von schweren Elementen und ihren kosmischen Brutstätten“, so Teammitglied Camilla Juul Hansen vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Zudem sei dies die erste empirische Bestätigung, dass Neutronensterne aus Neutronen bestehen.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/verschmelzende-neutronensterne-als-reaktor/