Nachbarschaft beeinflusst Planetenentstehung

Ob sich ein Planetensystem relativ isoliert bildet oder ihm andere Sterne dabei nahekommen, wirkt sich entscheidend auf die spätere Architektur des Systems aus.

Rainer Kayser

Jupiterähnlicher Planet nahe bei einem Stern

NASA/Ames/JPL-Caltech

Als Astronomen vor 25 Jahren damit begannen, Planeten um Sterne ähnlich unserer Sonne aufzuspüren, erlebten sie eine Überraschung: Viele Planetensysteme ähneln dem unseren in keiner Weise. So stießen die Himmelsforscher beispielsweise auf zahlreiche „Heiße Jupiter“ – Riesenplaneten, die auf extrem engen Umlaufbahnen um ihre Zentralsterne kreisen. Was diese Unterschiede in der Architektur von Planetensystemen verursacht, ist bislang unklar. Jetzt präsentiert ein Forscherteam im Fachblatt „Nature“ eine mögliche Erklärung. Entscheidend sei demnach die Anzahl der Sterne, die sich während der Entstehungsphase eines Systems in der Umgebung befand.

Nach heutigem Wissen entstehen Planeten in den rotierenden Gas- und Staubscheiben um junge Sterne. Winzige Staubkörnchen klumpen darin zusammen und wachsen im Lauf von Millionen von Jahren schließlich zu ausgedehnten Himmelskörpern heran. Wie dieser Vorgang genau abläuft, hängt von den Eigenschaften der protoplanetaren Scheibe ab – insbesondere von der Masse und der chemischen Zusammensetzung, schreiben Andrew Winter von der Universität Heidelberg und seine Kollegen in ihrer Studie. Astronomen gehen davon aus, dass auch die nähere Umgebung den Prozess beeinflusst. So könnten benachbarte Sterne durch ihre Schwerkraft oder Strahlung auf das System einwirken. Bislang ist es jedoch nicht gelungen, diese Einflüsse nachzuweisen und zu spezifizieren. Denn engere Sterngruppen lösen sich nach der Entstehungsphase vergleichsweise schnell auf.

Winter und sein Team haben nun die Daten des europäischen Weltraumteleskops Gaia nach Gruppen von Sternen durchsucht, die sich zusammen mit bekannten Planetensystemen auf ähnlichen Bahnen durchs Weltall bewegen. Das würde auf einen gemeinsamen Ursprungsort hindeuten. Tatsächlich stießen die Astronomen auf etliche Planetensysteme, die offenbar in einer engeren Sterngruppe entstanden sind. Eine statistische Analyse zeigte, dass sich solche Systeme signifikant von jenen unterscheiden, die sich vermutlich relativ isoliert gebildet haben.

Bei den zu Sternengruppen gehörenden Planetensystemen beträgt der mittlere Abstand der Planeten zu ihrem Stern 0,087 Astronomische Einheiten, also weniger als ein Zehntel des Abstands von Erde und Sonne, und die mittlere Umlaufzeit nur 9,6 Tage. Bei den isolierten Systemen liegen diese Werte dagegen bei 0,81 Astronomischen Einheiten und 154 Tagen. Heiße Jupiter finden sich demnach hauptsächlich in Systemen, die in dichteren Sterngruppen entstanden. Ihre extremen Umlaufbahnen seien daher vermutlich eine Folge von äußeren Störeffekten, folgert das Team. Eine Migration der Planeten nach innen oder eine Wechselwirkung zwischen den Planeten des jeweiligen Systems halten Winter und seine Kollegen dagegen für unwahrscheinlich.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/nachbarschaft-beeinflusst-planetenentstehung/