Salziger Ozean auf Ceres

Die Raumsonde Dawn liefert Hinweise auf einen salzhaltigen Wasserozean unter der Oberfläche des Zwergplaneten.

Rainer Kayser

Krater mit hellen Flecken auf felsigem Himmelskörper. Bei den hellen Flecken handelt es sich um Salzablagerungen.

NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA

Der Zwergplanet Ceres besaß ursprünglich einen globalen Ozean, der sich teilweise bis heute unter der Oberfläche des Himmelskörpers erhalten haben könnte – dank eines hohen Salzgehalts. Das belegen nun Aufnahmen und Messungen der Raumsonde Dawn, die Ceres seit 2015 umkreist. Im Zentrum des Kraters Occator dringt offenbar sogar Salzwasser an die Oberfläche, berichten die an der Mission beteiligten Wissenschaftler in einer ganzen Serie von Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften „Nature Astronomy“, „Nature Geoscience“ und „Nature Communications“.

Ceres ist mit einem Äquatordurchmesser von 964 Kilometern das größte Objekt im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Er ist zwar deutlich abgeplattet – sein Poldurchmesser beträgt 892 Kilometer –, doch verfügt er über ausreichend Masse, um durch seine Eigengravitation eine annähernd runde Form zu erhalten. Daher gilt er nicht als Asteroid, sondern als Zwergplanet. Die 2007 gestartete Raumsonde Dawn erreichte Ceres, nach einem längeren Aufenthalt bei dem Asteroiden Vesta, am 6. März 2015 und umrundete den Zwergplaneten zunächst auf einer weiten Umlaufbahn. Im November 2015 wurde der Orbit dann auf eine Höhe von etwa fünfzig Kilometern abgesenkt, um hochaufgelöste Bilder und Daten der Oberfläche zu liefern. Am 1. November 2018 endete die Mission, da nicht nur der Treibstoff verbraucht war, sondern auch die Stromversorgung zusammenbrach und damit der Funkkontakt zur Erde abriss.

Da Ceres zweieinhalb- bis dreimal weiter von der Sonne entfernt ist als die Erde und auf seiner Oberfläche eine Durchschnittstemperatur von etwa minus hundert Grad Celsius herrscht, hatten die Forscher eine geologisch inaktive und trockene Welt erwartet. Doch die von Dawn zur Erde gefunkten Bilder und Daten sorgten für eine Überraschung. Die Oberfläche und der innere Aufbau von Ceres deuten auf die Existenz eines Ozeans in der Vergangenheit hin, schreiben Maria Cristina De Sanctis vom Nationalen Institut für Astrophysik in Rom und ihre Kollegen. Die hochaufgelösten Aufnahmen aus der niedrigeren Umlaufbahn sorgten für weiteres Erstaunen. Wie ein Team um Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung berichtet, zeigt Ceres während seiner gesamten Geschichte bis in die heutige Zeit hinein Anzeichen für kryovulkanische Aktivität. Diese Kryo- oder Eisvulkane speien keine gewöhnliche Lava, sondern ein Gemisch aus Eis und flüssigem Wasser.

Damit hatten die Forscher nicht gerechnet. Denn selbst wenn Ceres früher einen globalen Ozean besaß, sollte dieser bis heute längst gefroren sein. Und im Innern von Ceres dürfte es keine Wärmequelle geben, die das Eis schmelzen und an die Oberfläche befördern könnte – so wie man es etwa von den großen Monden um Jupiter und Saturn kennt. Eine Erklärung liefern von Dawn beobachtete Ablagerungen auf der Oberfläche: Offenbar spielen Salze – insbesondere Chlorsalze – eine entscheidende Rolle dabei, das Wasser unter der Oberfläche von Ceres selbst bei extrem niedrigen Temperaturen flüssig zu halten.

Dass noch heute salzhaltiges Wasser aus dem Inneren des Himmelskörpers aufsteigt, belegen die Aufnahmen von Occator. Der Krater entstand vor zwanzig Millionen Jahren durch einen Asteroideneinschlag und hat einen Durchmesser von 92 Kilometern. Mehrere auffallend helle Flecken machen Occator zu einer der hervorstechendsten Strukturen auf Ceres. Die durch den Einschlag erzeugte Hitze könnte unter der Oberfläche liegendes Eis aufgetaut und zum Teil über die gesamte Oberfläche von Ceres verteilt haben – und damit für die überall nachgewiesenen Salzablagerungen verantwortlich sein. Nicht in dieses Bild passen jedoch die extrem hellen Flecken im Zentrum des Kraters: Hierbei handelt es sich um hydratisierte Chlorsalze – in das Kristallgitter dieser Salze sind Wassermoleküle eingebunden.

Chlorsalze dehydrieren relativ schnell. Daher müssen sie also erst in jüngster Zeit an die Oberfläche gedrungen sein, so die Forscher. An der Spitze einer Erhebung im Zentrum des Kraters, nahe einem System von radialen Rissen in der Kruste von Ceres, finden sich die hydratisierten Chlorsalze in besonders hoher Konzentration. „Die räumliche Verteilung der hydratisierten Chlorsalze deutet darauf hin, dass es sich um Ablagerungen von aus der Tiefe stammendem stark salzhaltigem Wasser handelt“, so De Sanctis.

Auch die Messungen der genauen Form und der lokalen Gravitation von Ceres durch die Raumsonde Dawn zeigen, dass der Himmelskörper eine komplexe innere Struktur mit einem in Teilen möglicherweise bis heute existierenden Ozean unter der Kruste besitzt. Während der hohe Salzgehalt dafür sorgt, dass das Wasser viel länger als zuvor angenommen flüssig bleibt, sorgen durch Einschläge erzeugte Risse dafür, dass diese Salzlauge immer wieder an die Oberfläche aufsteigen kann. So bilde sich ein langlebiges hydrologisches System, dass, wie Carol Raymond vom California Institute of Technology in Pasadena und ihre Kollegen hervorheben, „vorübergehend lebensfreundliche Nischen“ auf Eiswelten anbieten könnte.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/salziger-ozean-auf-ceres/