Verdampfendes Eis als Schlüssel
Die Rotationsachse des Uranus liegt nahezu in seiner Bahnebene und auch die Umlaufbahnen seiner fünf großen Monde sind entsprechend stark geneigt. Bislang konnten Astronomen keine eindeutige Ursache für die extreme Neigung ausmachen. Zwar kann der Einschlag eines großen Himmelskörpers auf den jungen Uranus die Neigung der Rotationsachse erklären. Doch Computersimulationen dieses Szenarios waren nicht in der Lage, die Monde des Planeten zu reproduzieren. Im Fachblatt „Nature Astronomy“ berichtet ein Forscherteam nun, dass die bisherigen Modelle ein wichtiges Detail vernachlässigt haben – dies sei aber nötig, um die Entstehung der Uranusmonde nach einer Kollision korrekt zu beschreiben.
„Es ist naheliegend, dass die Monde um Uranus aus den Trümmern einer Kollision entstanden sind“, erläutert Shigeru Ida vom Institut für Technologie in Tokio. Das Problem: Simulationen eines solchen Einschlags lieferten bislang zwar eine korrekt gekippte Rotationsachse, aber eine falsch dimensionierte Materiescheibe um den Planeten. Damit die heutigen Monde daraus hätten hervorgehen können, müsste die Scheibe deutlich größer sein und zugleich weniger Masse besitzen als in den Modellen. Ida und sein Team kritisieren an den bisherigen Ansätzen, dass man das Wissen über die Entstehung des Erde-Mond-Systems durch eine große Kollision einfach auf Uranus und seine Monde übertrug.
Während die frühe Erde und der marsgroße Himmelskörper, mit dem unser Planet zusammenstieß, überwiegend aus Gestein bestanden, setzen sich die Objekte im äußeren Sonnensystem vor allem aus Wassereis zusammen – auch der junge Uranus und sein Kollisionspartner. Tatsächlich gilt der siebte Planet in unserem Sonnensystem als „Eisriese“: Er besteht zu einem großen Teil aus gefrorenem Wasser und besitzt nur einen relativ kleinen Gesteinskern. Bei einem Einschlag sollte das Eis fast vollständig verdampfen. Durch diesen Effekt hätte sich die entstehende Materiescheibe viel weiter ausdehnen und an Masse verlieren können, bevor die Kondensation einsetzt und sich die Monde formen.
Im Gegensatz dazu bildete sich der irdische Mond rasch aus den überwiegend festen und flüssigen Trümmern, die nach der Kollision um die junge Erde kreisten. Daher könne man die Abläufe im Erde-Mond-System nicht eins zu eins auf Uranus übertragen, so Ida und seine Kollegen. Sobald die Modelle allerdings das rasche Verdampfen von Wassereis berücksichtigen, ließen sich durch den Einschlag eines großen Himmelskörpers sowohl die extreme Neigung der Rotationsachse des Uranus als auch das System seiner Monde erklären.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/verdampfendes-eis-als-schluessel/