Woher das Wasser der Erde stammt

Die Bausteine der Planeten enthielten offenbar deutlich mehr Wasser als bislang vermutet und könnten damit die Ozeane der Erde gefüllt haben.

Rainer Kayser

Düstere Landschaft mit aktiven Vulkanen und Kratern, die mit flüssiger Lava gefüllt sind. In der Atmosphäre sind drei eintreffende Meteoriten zu erkennen.

NASA's Goddard Space Flight Center Conceptual Image Lab

Die Erde ist im inneren Sonnensystem eine große Ausnahme. Denn sie ist der einzige Planet mit erheblichen Wassermengen auf der Oberfläche. Seit Jahrzehnten diskutieren Fachleute darüber, woher dieses Wasser stammt. Ein Forscherteam präsentiert jetzt eine erstaunlich einfache Antwort: Das Wasser war bereits in den felsigen Bausteinen enthalten, aus denen sich die Erde formte. Mehr als das Dreifache des Wassers aller irdischen Ozeane könnten diese Bausteine geliefert haben, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

Simulationen der Planetenentstehung vor rund 4,6 Milliarden Jahren legen nahe, dass das innere Sonnensystem zu heiß war, um Wasser zu enthalten. Die Gesteinsplaneten sollten daher alle trocken sein. Die Existenz von Ozeanen auf der Erde widerspricht offensichtlich diesen Ergebnissen. Das Wasser müsse daher, so die bislang vorherrschende Meinung, erst später durch Meteoriten aus dem kühleren äußeren Sonnensystem zur Erde gebracht worden sein. Doch auch dieses Szenario bringt Probleme mit sich: Die Zusammensetzung von wasserhaltigen Meteoriten aus dem äußeren Sonnensystem – sogenannten kohligen Chondriten – lässt sich nicht mit der Zusammensetzung der Erdkruste in Einklang bringen.

Das Foto zeigt einen Gesteinsbrocken.

Enstatit-Chondrit

Im Gegensatz dazu stimmt eine andere Art von Meteoriten, Enstatit-Chondrite genannt, sehr gut mit Felsgestein der Erde überein. Forscher sehen in ihnen daher Überreste der Bausteine, aus denen der Planet einst entstand. Doch die Enstatit-Chondrite sollten aus dem heißen inneren Sonnensystem stammen und damit als Wasserlieferanten nicht infrage kommen. Den tatsächlichen Gehalt an Wasserstoff in dieser Sorte von Meteoriten zu bestimmen, war bislang allerdings noch nicht gelungen.

Mithilfe eines neuartigen Verfahrens haben Laurette Piani von der Université de Lorraine in Frankreich und ihre Kollegen genau das jetzt geschafft – und gezeigt, dass die Bausteine der Erde viel mehr Wasserstoff enthielten als bislang vermutet. Hochgerechnet reicht die Menge mehr als aus, um den gesamten Wasservorrat der Erde geliefert zu haben. Damit hat die Frage, woher das Wasser der Erde stammt, offenbar eine unvermutet einfache Antwort gefunden. Ganz ohne kohlige Chondriten geht es allerdings nicht, wie das Team um Piani betont. Um die Zusammensetzung der Atmosphäre und der Ozeane exakt zu reproduzieren, müsse es in der Spätphase der Planetenentstehung auch einen Zustrom dieser Meteoriten aus dem äußeren Sonnensystem gegeben haben.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/woher-das-wasser-der-erde-stammt/