Zwergstern verdrillt die Raumzeit

Jahrzehntelange Beobachtungen bestätigen einen von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Effekt nun auch in einem fernen Doppelsternsystem.

Rainer Kayser

Links ein Radioteleskop, rechts der Pulsar und der Weiße Zwergstern. Ein verzerrtes Gitter deutet den relativistischen Effekt an.

M. Myers/ARC Centre of Excellence for Gravitational Wave Discovery

Wenn ein massereiches Objekt sehr schnell rotiert, dann zieht es den umgebenden Raum mit sich. Dieser 1918 von Josef Lense und Hans Thirring in Zusammenarbeit mit Albert Einstein vorhergesagte Effekt ist eine direkte Folge der Allgemeinen Relativitätstheorie. Durch jahrzehntelange Radiobeobachtungen gelang es einem internationalen Forscherteam jetzt, das Phänomen in einem Doppelsystem aus einem Neutronenstern und einem Weißen Zwerg nachzuweisen. Wie die Astronomen im Fachblatt „Science“ berichten, verhalten sich die beiden Himmelskörper genau wie von der Theorie beschrieben.

Vivek Venkatraman Krishnan vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie und seine Kollegen beobachteten das Doppelsternsystem über einen Zeitraum von zwanzig Jahren. Der Neutronenstern, ein sogenannter Pulsar, besitzt ein starkes Magnetfeld und rotiert sehr schnell um seine eigene Achse. Dabei sendet er stark gebündelte Radiostrahlung aus, die bei jeder Drehung auch über die Erde streift. Astronomen empfangen daher regelmäßig Radiopulse aus dem Doppelsystem. „Durch eine hochgenaue Messung der Ankunftszeiten dieser Pulsarsignale mithilfe von Atomuhren konnten wir die Bewegung des Pulsars in seiner Bahn mit einer Genauigkeit von dreißig Kilometern verfolgen”, erläutert Krishnan. „Das ermöglichte uns eine präzise Messung sowohl des Durchmessers als auch der Orientierung der Umlaufbahn.“

Die zweite Komponente im untersuchten Doppelsystem ist ein massereicher und extrem schnell rotierender Weißer Zwergstern: Den Messungen zufolge benötigt er für eine Umdrehung weniger als 200 Sekunden. Diese schnelle Rotation verdrillt die Raumzeit in der unmittelbaren Umgebung – und kippt dadurch allmählich die Bahnebene des Neutronensterns: Nach zwanzig Jahren sollte sich die Pulsarbahn gemäß der Allgemeinen Relativitätstheorie um etwa 150 Kilometer gedreht haben. Diesen Lense-Thirring-Effekt konnten die Forscher durch ihre langjährigen Beobachtungen nun eindeutig nachweisen. Im Gravitationsfeld der Erde ließ sich der Effekt durch Satellitenexperimente bereits mit hoher Genauigkeit vermessen.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/zwergstern-verdrillt-die-raumzeit/