Der Mars offenbart sein Inneres
Dirk Eidemüller
Der genaue innere Aufbau der Erde gibt Forschern immer noch Rätsel auf. Umso schwieriger ist die Analyse anderer Planeten in unserem Sonnensystem. Doch mithilfe der US-amerikanischen Raumsonde InSight, die im Jahr 2018 auf dem Mars landete, konnten Forscher nun wichtige Erkenntnisse über das Innere des Roten Planeten gewinnen. Wie sie in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, hat unser Nachbarplanet einen überraschend großen und leichten flüssigen Kern, um den sich – wie im Inneren der Erde – ein Mantel sowie eine dünne Kruste schmiegen.
Seit 2018 vermisst die stationäre Sonde InSight die seismischen Wellen sowie den Temperaturfluss auf dem Roten Planeten. Dabei hatten Wissenschaftler aber auch mit einigen naturgegebenen Schwierigkeiten zu kämpfen. So ist das Seismometer an Bord der Sonde zwar gegen äußere Einflüsse abgeschirmt. Aber starke Winde und Sandstürme finden sich dennoch in den Daten wieder. Das kann zwar zur Analyse der Marsatmosphäre genutzt werden, stört aber die seismologischen Untersuchungen. Zudem verschluckt der felsige Boden des Planeten einen Teil der seismischen Wellen.
Die ersten Ergebnisse der InSight-Mission zeigten bereits, dass der Rote Planet seismologisch sehr aktiv ist – auch wenn die Beben im Vergleich zu denen auf der Erde eher schwach waren. Kein einziges der Marsbeben, das in den letzten zwei Jahren aufgezeichnet wurde, erreichte mehr als eine Stärke von 4,0 auf der Richterskala. Zugleich lassen sich diese Daten nutzen, um Informationen über den inneren Aufbau des Planeten zu erhalten. Denn aus einer detaillierten Analyse der Beben zeigt sich, wie sich die seismischen Wellen durch den Planeten ausbreiten. Deswegen analysierten nun gleich drei Forschergruppen insgesamt zehn Marsbeben, deren Ursprung unterhalb der Kruste lag und die sich deshalb besonders gut analysieren ließen.
Die Analyse von Simon Stähler von der ETH Zürich und seinen Kollegen ergab, dass diejenigen seismischen Wellen am schwächsten waren, die am flüssigen Planetenkern reflektiert wurden. Aus den Daten folgerten sie, dass der Kern in einer Tiefe von nur 1560 Kilometern beginnt – das entspricht etwa der Hälfte des Planetenradius. Das Ergebnis weist darauf hin, dass der Marskern überraschend groß und leicht ist. Da der Kern vor allem aus flüssigem Eisen und Nickel besteht, muss er stark mit Schwefel und anderen leichteren Elementen angereichert sein, sonst wäre der Planet insgesamt deutlich massereicher. Die Stärken der vom Marskern reflektierten seismischen Wellen deuten zudem darauf hin, dass er immer noch flüssig ist und Temperaturen oberhalb von 1800 Grad Celsius aufweist.
Aufgrund der Größe des Marskerns ist der Mantel relativ dünn. Zudem hätte ein dickerer Mantel eine andere mineralische Komposition zur Folge gehabt, was zur Ausbildung eines stabilen Geodynamos hätte führen können. Stattdessen ist das globale Magnetfeld des Mars schon vor langer Zeit verschwunden, was außerdem die Erosion seiner Atmosphäre verstärkte. Um den Mantel nun noch genauer zu untersuchen, analysierten die anderen beiden Forschergruppen um Amir Khan von der ETH Zürich sowie Brigitte Knapmeyer-Endrun von der Universität Köln seismische Wellen, die durch den Mantel und die Kruste wanderten.
Die Analyse ergab, dass das Material unterhalb der Oberfläche weniger dicht als dasjenige auf der Oberfläche ist. Anscheinend veränderte sich dieses Material im Laufe der Zeit sehr stark. Außerdem ist die Kruste im Vergleich zum Mantel etwa 13- bis 21-fach stärker mit wärmeerzeugendem radioaktivem Material angereichert. Anhand dieser Daten wollen die Planetenforscher nun versuchen, mit Simulationen die Eigenheiten des Mars – wie Vulkanismus, unterschiedliche Topographie auf Nord- und Südhalbkugel und einige andere Charakteristika – besser zu verstehen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2021/der-mars-offenbart-sein-inneres/