Supervenus in unserer Nachbarschaft

Um einen nur 26 Lichtjahre entfernten Stern entdecken Astronomen einen Gesteinsplaneten – ein idealer Kandidat für Beobachtungen mit künftigen Großteleskopen.

Rainer Kayser

Felsige Oberfläche mit Bergen und Tälern, vereinzelt bedeckt von Lavaströmen.

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Inzwischen haben Astronomen bereits viele Gesteinsplaneten – ähnlich den inneren Planeten unseres Sonnensystems – bei fernen Sternen aufgespürt. Bislang ist allerdings wenig über diese fremden Welten bekannt. Ein neu entdeckter Exoplanet könnte dies nun ändern: Gliese 486b umkreist einen nur 26 Lichtjahre entfernten roten Zwergstern und ähnelt vermutlich der Venus. Sein geringer Abstand zur Erde, seine Oberflächentemperatur und die Lage seiner Umlaufbahn machen den Planeten zu einem idealen Kandidaten für Beobachtungen mit künftigen Großteleskopen, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

Astronomen spüren Planeten bei anderen Sternen vor allem mit zwei Methoden auf. Zum einen durch ein leichtes Wackeln des Zentralsterns. Denn wird dieser von einem Planeten umkreist, bewegen sich beide Himmelskörper um den gemeinsamen Massenschwerpunkt. Dieses leichte Zittern hinterlässt Spuren im Lichtspektrum des Sterns. Zum anderen machen sich Planeten bemerkbar, wenn sie von uns aus betrachtet vor ihrem Stern vorüberziehen. Bei einem solchen Transit dunkeln sie das Gestirn minimal ab, was zu periodischen Helligkeitsschwankungen führt. Gliese 486b gehört zu den wenigen Planeten, die sich mit beiden Verfahren nachweisen lassen.

Aus diesem Grund konnten Astronomen um Trifon Trifonov vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg nun nicht nur seine Umlaufbahn bestimmen, sondern auch seine Größe und seine Masse. Der Planet umrundet seinen Zentralstern demnach alle anderthalb Tage auf einer sehr engen Umlaufbahn. Er besitzt etwa die 2,8-fache Masse der Erde und ist etwa dreißig Prozent größer als unser Heimatplanet. Die Forscher schließen aus Größe und Masse des Planeten, dass er ähnlich wie die Erde aufgebaut sein muss – er also aus Gestein besteht und einen Eisenkern besitzt. Zwar bezeichnen Astronomen solche massereichen Gesteinsplaneten als „Supererden“, doch mit einer Oberflächentemperatur von etwa 426 Grad Celsius ist Gliese 486b eher eine Supervenus.

„Die Entdeckung von Gliese 486b ist ein Glücksfall“, sagt Teammitglied José Caballero vom Zentrum für Astrobiologie in Madrid. „Hundert Grad heißer und die gesamte Oberfläche wäre Lava – seine Atmosphäre würde dann aus verdampftem Gestein bestehen. Wäre Gliese 486b dagegen hundert Grad kälter, wäre er für Folgebeobachtungen ungeeignet.“ Denn in diesem Fall ließe sich die Gashülle um den Planeten nicht untersuchen, da sie zu wenig elektromagnetische Strahlung aussendet. Zwar sind die Temperaturen auf Gliese 486b zu hoch für flüssiges Wasser, aber sie bieten die Chance, dass der Planet ähnlich wie die Venus eine dichte und gut beobachtbare Atmosphäre besitzt.

Mit künftigen Instrumenten wie dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA und dem Extremely Large Telescope der Europäischen Südsternwarte könnten Astronomen beispielsweise messen, welchen Anteil des Sternenlichts die Atmosphäre absorbiert und bei welchen Wellenlängen sie selbst leuchtet. Anhand solcher Daten ließe sich etwas über ihre Zusammensetzung und Beschaffenheit erfahren. „Wir können es kaum erwarten, bis die neuen Teleskope zur Verfügung stehen“, sagt Trifonov. „Die Ergebnisse werden uns dabei helfen zu verstehen, wie gut Gesteinsplaneten ihre Atmosphären halten können, woraus die Gashüllen bestehen und wie diese die Energieverteilung auf den Planeten beeinflussen.“ Forscher haben zwar theoretische Modelle für die Atmosphären der extrasolaren Welten entwickelt, überprüfen konnten sie ihre Modelle bislang aber nicht. Gliese 486b könnte dafür ein erster Schritt sein.

Insgesamt haben Astronomen inzwischen 4600 Exoplaneten entdeckt. Darunter sind auch Gesteinsplaneten, die ihre Bahn in der lebensfreundlichen Zone um ihren Zentralstern ziehen – also dort, wo die Temperaturen gemäßigt sind und flüssiges Wasser auf der Oberfläche möglich wäre. Mithilfe von validen Atmosphärenmodellen ließe sich künftig besser abschätzen, ob es dort tatsächlich Leben geben könnte.


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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2021/supervenus-in-unserer-nachbarschaft/