Unruhe im galaktischen Zentrum

Vermutlich sorgten zwei ausgedehnte Gaswolken für die unerwarteten Strahlungsausbrüche beim supermassereichen Schwarzen Loch in der Milchstraße.

Rainer Kayser

Künstlerische Darstellung: flammenartiges Gebilde im All sowie mehrere Sterne auf elliptischen Bahnen

ESO/MPE/Marc Schartmann

Im Mai 2019 leuchtete Sagittarius A* – das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße – für zweieinhalb Stunden hell im infraroten Spektralbereich auf. Die Intensität des Ausbruchs übertraf die typische Strahlung aus dieser Region um mehr als das Hundertfache. Seither kommt das galaktische Zentrum nicht mehr zur Ruhe, immer wieder registrieren Astronomen weitere Strahlungsausbrüche. Die wahrscheinlichste Ursache für die ungewöhnliche Aktivität sei der Einfall von Materie aus zwei ausgedehnten Gaswolken auf das Schwarze Loch, berichtet jetzt eine Wissenschaftlerin aus den USA im Fachblatt „Astrophysical Journal Letters“.

Im Zentrum der Milchstraße gibt es nur wenig Gas und Sterne, die in das Schwarze Loch mit der 4,6-millionenfachen Masse unserer Sonne fallen könnten. Lena Murchikova vom Institute for Advanced Study in Princeton nahm nun zwei mögliche Auslöser für die unerwarteten Strahlungsausbrüche genauer unter die Lupe. Zum einen S-Objekte. Das sind Sterne auf engen elliptischen Umlaufbahnen um das Schwarze Loch, die über Sternwinde – also aus der Sternatmosphäre abströmendes Gas – für einen Materiezustrom auf das Schwarze Loch sorgen können. Zum anderen kommen G-Objekte infrage: Auch sie befinden sich auf engen elliptischen Umlaufbahnen, besitzen aber kein punktförmiges, sondern ein entlang der Umlaufbahn auseinandergezogenes Erscheinungsbild. Das spricht dafür, dass es sich um Wolken aus Gas handelt. Andererseits besitzen die Objekte jedoch eine hohe Stabilität. Möglicherweise enthalten sie jeweils einen Stern, der die Gaswolke mit seiner Anziehungskraft zusammenhält.

Murchikova schätzte mithilfe von theoretischen Modellen ab, wie viel Materie verschiedene bekannte Objekte in der Umgebung von Sagittarius A* hätten beisteuern können. Ihre Ergebnisse kombinierte die Wissenschaftlerin mit Beobachtungsdaten und kommt zu dem Schluss, dass die Objekte G1 und G2 die seit Mai 2019 registrierten Strahlungsausbrüche verursachen. Denn diese beiden G-Objekte sind in den vergangenen Jahren eng an dem zentralen Schwarzen Loch vorbeigezogen. Wenn dieser Verdacht zutrifft, müsste die Aktivität von Sagittarius A* langsam wieder abnehmen. Denn G1 und G2 entfernen sich derzeit von dem Schwarzen Loch. Hält die Aktivität jedoch für weitere Jahre an, müssen sich die Astronomen nach einer anderen Ursache für die Unruhe im Zentrum der Milchstraße umsehen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2021/unruhe-im-galaktischen-zentrum/