Als das Urknallecho noch warm war
Kurz nach dem Urknall war das Universum extrem dicht und heiß, sodass Lichtteilchen darin ständig gestreut wurden. Erst nach rund 380 000 Jahren – in denen sich das All weiter ausgedehnt und allmählich abgekühlt hatte – konnten sich Photonen frei durch den Weltraum bewegen und ausbreiten. Genau diese Lichtteilchen messen Astronomen heute als kosmische Hintergrundstrahlung. Mit einem speziellen Radioteleskop in den französischen Alpen gelang es nun, die Temperatur dieser elektromagnetischen Strahlung in der Frühzeit des Kosmos zu bestimmen. Die Beobachtung stimme gut mit den Vorhersagen des kosmologischen Standardmodells überein, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.
Die kosmische Hintergrundstrahlung trifft nahezu gleichmäßig aus allen Himmelsrichtungen auf die Erde. Dabei zeigt die Strahlungsintensität bei verschiedenen Wellenlängen einen typischen Verlauf, der etwa glockenförmig ist. Ebenso wie etwa der Sonne oder einer Glühbirne lässt sich der Hintergrundstrahlung daher – gemäß dem Planckschen Strahlungsgesetz – eine Temperatur zuordnen. Heute liegt der Wert bei rund 2,7 Kelvin, das entspricht etwa minus 270 Grad Celsius. Bei ihrer Entstehung betrug die Temperatur der Strahlung 3000 Kelvin. Doch durch die Expansion des Weltraums wurden die elektromagnetischen Wellen gestreckt und verloren dadurch an Energie. Wie hoch die Temperatur zu welcher Zeit der kosmischen Entwicklung war, lässt sich jedoch nur schwer messen. Daher liegen dazu bislang nur wenige Daten vor.
Dominik Riechers von der Universität Köln und seine Kollegen fanden nun einen Weg, die Temperatur der Hintergrundstrahlung vergleichsweise kurz nach dem Urknall zu bestimmen. Bei Beobachtungen mit dem Northern Extended Millimeter Array stieß das Team in einer fernen Galaxie auf eine ausgedehnte Wolke aus Wasserdampf. Die hierin enthaltenen Moleküle absorbierten bestimmte Wellenlängen der Hintergrundstrahlung, was charakteristische Spuren im Spektrum hinterließ. Anhand der Stärke der Absorption waren die Forscher jetzt in der Lage, auf die Temperatur der Strahlung zu schließen. Da die ausgewerteten Aufnahmen das System so zeigen, wie es 880 Millionen Jahre nach dem Urknall ausgesehen hat, gelingt dem Team um Riechers damit ein Blick in die Vergangenheit: Die Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung lag vor rund 13 Milliarden Jahren offenbar zwischen 16 und 30 Kelvin, also minus 257 und 243 Grad Celsius. Zwar ist diese Messung noch nicht übermäßig genau, aber es ist die erste Messung dieser Art für die Frühzeit des Kosmos.
Der genaue Temperaturverlauf der Hintergrundstrahlung hängt auch davon ab, woraus das Universum besteht. Nach heutigen Erkenntnissen macht die „baryonische Materie“ – also der Stoff, aus dem Sterne, Planeten und auch wir bestehen – nur etwa fünf Prozent des Kosmos aus. Weitere 26 Prozent trägt die rätselhafte Dunkle Materie bei, die Galaxien und Galaxienhaufen mit ihrer Anziehungskraft zusammenhält. Noch mysteriöser sind die restlichen 69 Prozent: Eine als „Dunkle Energie“ bezeichnete Komponente, die zu einer Beschleunigung der kosmischen Expansion führt. Unklar ist bislang nicht nur, woraus Dunkle Materie und Dunkle Energie physikalisch bestehen, sondern auch, ob diese Komponenten sich im Lauf der kosmischen Geschichte verändert haben.
Im kosmologischen Standardmodell nehmen Astrophysiker an, dass die verschiedenen Bestandteile des Universums konstant seien. Auf dieser Basis können sie vorhersagen, wie das Weltall früher ausgesehen haben muss. Abweichungen von diesen Prognosen – etwa bei der Temperatur der Hintergrundstrahlung – wären ein Hinweis auf „neue Physik“ jenseits des Standardmodells. Mithilfe der neuen Ergebnisse lassen sich bereits einige besonders exotische Modelle für die Dunkle Energie ausschließen, so Riechers. Jetzt wollen die Forscher nach weiteren Galaxien suchen, bei denen der Effekt auftritt, und so genauere Werte für die Temperatur der Hintergrundstrahlung im jungen Kosmos erhalten.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/als-das-urknallecho-noch-warm-war/