Verschmelzende Sterne statt Supernova

Ein Gammablitz passt nicht in das bisherige Schema – vielmehr deutet er auf ein alternatives Entstehungsszenario für bestimmte Blitze hin.

Rainer Kayser

Heller Lichtwirbel im All, aus dem ein rosafarbener Strahl hervorgeht; die Umgebung des Gebildes ist sehr farbig, vor allem gelb, rot und blau

Samuele Ronchini/GSSI 2022

Am 11. Dezember 2021 registrierte der Satellit Swift der NASA einen intensiven Schauer von Gammastrahlung aus dem Weltall. Solche Gammablitze sind keine Seltenheit – fast jeden Tag registrieren Satelliten derartige Ereignisse. Doch der Blitz vom 11. Dezember 2021 passte nicht in das bisherige Schema: Seine Dauer lässt vermuten, dass er durch die Explosion eines Sterns entstanden ist. Andere Eigenschaften der empfangenen Strahlung deuten jedoch eher darauf hin, dass zwei Neutronensterne verschmolzen sind. Das berichten mehrere Forschungsteams in den Fachjournalen „Nature“ und „Nature Astronomy“.

Gammablitze, auch „Gamma Ray Bursts“ genannt, sind Ausbrüche hochenergetischer Gammastrahlung. Astronomen unterscheiden zwei Arten von ihnen: Kurze Gammablitze dauern höchstens zwei Sekunden und entstehen, so die Annahme, wenn zwei Neutronensterne zusammenstoßen und verschmelzen. Mehrere Minuten können hingegen lange Gammablitze aufleuchten. Sie sind die Folge von Supernovae, also wenn massereiche Sterne am Ende ihres Lebens in sich zusammenfallen und ihre äußeren Schichten explosionsartig ins All abstoßen.

Doch vereinzelt fügen sich gemessene Gammablitze nicht in diese Aufteilung ein – sie sind zwar lang, scheinen aber keine Folge einer Sternexplosion zu sein. Bislang konnten Forscher keine Erklärung für diese Blitze finden. Nun jedoch analysierten Astronomen ein solches Ereignis besonders detailliert: den Gammablitz GRB 211211A. Nachdem ihn der Satellit Swift entdeckt hatte, beobachteten mehrere Forscherteams mit weiteren Detektoren und Teleskopen den Blitz. Dabei haben sie nicht nur dessen ausgesandte Gammastrahlung analysiert, sondern auch die optische, ultraviolette und Röntgenstrahlung.

Bei diesen Analysen haben die Forscher ein ungewöhnliches Verhalten von GRB 211211A festgestellt: Während typische lange Gammablitze nach dem ersten Aufleuchten langsam verlöschen, leuchtete dieser Blitz zunächst 13 Sekunden, woraufhin ein weiteres, wenn auch schwächeres Aufleuchten für weitere 55 Sekunden folgte. 16 Minuten später traf erneut hochenergetische Gammastrahlung ein, die über mehr als fünf Stunden anhielt.

Aus diesen Daten entwickelten Jun Yang von der Universität Nanjing in China und sein Team ein Modell, um herauszufinden, wie es zu diesem außergewöhnlichen Gammablitz gekommen ist. Denn weder mit einer Supernova noch mit kollidierten Neutronensternen lassen sich die Beobachtungen erklären, so die Wissenschaftler. Stattdessen soll vermutlich ein Weißer Zwergstern, der mit einem Neutronenstern verschmolzen ist, den Gammablitz verursacht haben. Diese beiden Sterne haben dann zunächst einen schnell rotierenden Neutronenstern mit einem starken Magnetfeld gebildet – einen Magnetar, so Yang und seine Kollegen.

Doch nicht alle Forscher sind von diesem Fazit überzeugt. Insbesondere für das lange Nachleuchten müsse, so ein anderer Erklärungsansatz, ein Schwarzes Loch mit dem Weißen Zwergstern kollidiert sein. Dagegen spricht, dass dieser vermutlich nur zu einem kurzen ersten Gammablitz geführt hätte. So sind die Forscher dem Ziel zwar einen Schritt nähergekommen, die besonderen Gammablitze zu verstehen. Um die offenen Fragen zu klären, müssen sie jedoch noch möglichst viele ähnliche Ereignisse beobachten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/gammablitze-verschmelzende-sterne-statt-supernova/