Ein Meteorit im Urzustand

Ein auf die Erde gefallener Stein aus dem Weltall enthält Wasser und Aminosäuren – das liefert Hinweise auf die Herkunft dieser Stoffe auf der Erde.

Rainer Kayser

Sternschnuppe am Nachthimmel

Eshma/iStock

Meteoriten können Wissenschaftlern wertvolle Informationen über das junge Sonnensystem liefern. Das Problem: Nach dem Aufprall verändern irdische Einflüsse rasch die aus dem Weltall gefallenen Steine und verwischen damit die Spuren aus dem All. Am 28. Februar 2021 jedoch gelang es dank zahlreicher Kameraaufnahmen, einen in England niedergegangenen Meteoriten bereits innerhalb weniger Stunden nach dem Aufprall aufzuspüren. Dieser Meteorit ist so gut wie nicht verunreinigt und enthält Wasser sowie zahlreiche Bausteine des Lebens, wie ein Forscherteam im Fachblatt „Science Advances“ berichtet.

Durch Zusammenstöße von Gesteinsbrocken im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter können Trümmerstücke in das innere Sonnensystem gelangen – und mitunter in die Erdatmosphäre eindringen. Am 28. Februar 2021 um 21:54 Uhr Ortszeit zog ein solches Trümmerstück als helle Sternschnuppe über den Himmel des südwestlichen Englands. Die Leuchtspur des Steins aus dem All wurde von Spezialkameras sowie von zahlreichen Überwachungs- und Dashboardkameras aufgenommen. Außerdem gingen über tausend Augenzeugenberichte bei Sternwarten und anderen Forschungseinrichtungen ein.

Schwarzer Stein zwischen zwei Fingern

Bruchstück des Winchcombe-Meteoriten

Aus all diesen Aufnahmen und Sichtungen ließ sich der Fall des Meteoriten sehr genau rekonstruieren. Innerhalb weniger Stunden wurde der Meteorit dann tatsächlich aufgespürt: auf einer Auffahrt in dem Städtchen Winchcombe, zersplittert in einen Haufen dunkler, zentimeter- bis millimetergroßer Bruchstücke mit einer Gesamtmasse von 319,5 Gramm. In den nachfolgenden Tage fanden die Forscher zahlreiche weitere Bruchstücke. Die aufgespürten Teile des Meteoriten wurden sofort in versiegelte Behälter verpackt und zur Untersuchung in spezielle Labors gebracht.

Besonders wertvoll sind die zuerst entdeckten Bruchstücke, da sie am wenigsten der irdischen Umgebung ausgesetzt waren, erläutert Ashley King vom Natural History Museum in London. Mehr noch: Auch bei seinem vorangegangenen Flug durch das Sonnensystem ist das Trümmerstück wohl fast unverändert geblieben, wie Untersuchungen zeigen. Da kosmische Strahlung seine Oberfläche mit der Zeit verändert hätte, kann sich der Himmelskörper also nicht allzu lange im Weltall aufgehalten haben, sondern muss „bereits kurz nachdem es von seinem Ursprungskörper abgespalten worden war, auf die Erde gefallen sein“, folgern die Wissenschaftler.

Bei weiteren Laboranalysen entdeckte das Team um King in den Meteoritentrümmern eine große Menge an Silikaten, in die Wasser eingebunden war. Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass das Gestein bei seiner Entstehung mit flüssigem Wasser in Kontakt war. Die Wassereinschlüsse untersuchte das Forscherteam näher. Besonders spannend war dabei der Wasserstoff in den Wassermolekülen, der in drei Varianten – Isotope genannt – vorkam: leichter, schwerer und überschwerer Wasserstoff. Die Häufigkeit der verschiedenen Isotope im Wasser erlaubte den Forschern, Rückschlüsse auf die Herkunft des Wassers zu ziehen. So seien die Zusammensetzungen der Wasserstoffisotope im Winchcombe-Meteoriten und in der irdischen Hydrosphäre sehr ähnlich, erklären King und seine Kollegen. Das bestätige einmal mehr die These, dass der überwiegende Teil des Wassers auf der Erde von Asteroiden stammt.

Außerdem enthält der Meteorit zahlreiche chemische Verbindungen auf der Grundlage des Elements Kohlenstoff. Sogar Aminosäuren sind darunter – die Bestandteile von Proteinen. „Moleküle wie diese Aminosäuren sind entscheidende Komponenten für die Entstehung von Leben“, betonen die Forscher. Auch diese organischen Substanzen könnten also durch Meteoriten auf die junge Erde gelangt sein.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/himmelskoerper-ein-meteorit-im-urzustand/