Pulsare erklären rätselhafte Gammastrahlung

Verbesserte Modellrechnungen sagen die Existenz vieler schnell rotierender Neutronensterne voraus – und erklären so hochenergetische Strahlung im All.

Rainer Kayser

Blauer Kosmos, durch den eine gelb-rote Linie verläuft

NASA Goddard

Im Jahr 2008 waren Astronomen auf rätselhafte Gammastrahlung aus der zentralen Verdickung unserer Milchstraße gestoßen – seither suchen sie nach einer Erklärung für diese Strahlung. Eine Vermutung war, dass sie durch den Zerfall von Teilchen der rätselhaften Dunklen Materie entstehen könnte. Doch nun zeigte ein Forscherteam: Es handelt sich stattdessen um Strahlung von schnell rotierenden Neutronensternen, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Astronomy“.

Unsere Milchstraße ist eine Spiralgalaxie. Der Großteil ihrer Sterne und das meiste Gas befinden sich in einer rotierenden Scheibe mit ausgeprägten Spiralarmen. Doch zum Zentrum hin verdickt sich die Scheibe. Aus dieser Region, dem „Bulge“, hatten frühere Beobachtungen mit dem internationalen Satellitenobservatorium Fermi diffus verteilte hochenergetische Gammastrahlung empfangen. Strahlung, die vom Zentrum der Milchstraße nach außen hin schwächer wird – und zwar in ähnlicher Weise, wie auch die Sterndichte abnimmt. Von Anfang an favorisierten Astronomen hierfür zwei Erklärungen: Den Zerfall von Teilchen der Dunklen Materie – oder die Strahlung schnell rotierender Neutronensterne mit starken Magnetfeldern. Solche Neutronensterne drehen sich in wenigen Millisekunden um sich selbst und heißen daher auch Millisekundenpulsare.

Doch eine ganze Reihe von Modellrechnungen stießen beim Ansatz, die Strahlung mit solchen Pulsaren zu erklären, immer wieder auf das gleiche Problem: Es schien zu wenig solcher Pulsare in dieser Region der Milchstraße zu geben: Etwa 1000 solcher Pulsare müsste es dort geben, um die Strahlung zu erklären – doch auf gerade einmal 42 solcher Objekte war man bislang gestoßen. Auch die Verteilung der beobachteten Pulsare in der Milchstraße ließ sich bislang nicht mit dem Erklärungsmodell in Einklang bringen.

Bei den bisherigen Berechnungen war jedoch etwas wichtiges übersehen worden, wie Anuj Gautam von der Australian National University in Canberra und seine Kollegen jetzt zeigen. So gibt es einen bislang nicht berücksichtigten Weg, wie die Millisekundenpulsare entstehen. Dabei strömt in einem System aus zwei Sternen Materie von einem großen Stern auf einen Weißen Zwerg. Dadurch dreht sich der Weiße Zwerg immer schneller. Schließlich wächst seine Masse so sehr an, dass er unter seiner eigenen Anziehungskraft kollabiert – ein Millisekundenpulsar entsteht.

Gautam und seine Kollegen simulierten diesen Prozess und erhielten so eine Vorhersage, wie viele Millisekundenpulsare auf diese Weise entstehen. Anhand dessen berechneten die Forscher wiederum, wie viel Gammastrahlung diese Objekte erzeugen. „Das Ergebnis ist in guter Übereinstimmung mit der beobachteten Gammastrahlung durch Fermi“, sagt Gautams Kollege Roland Crocker. Außerdem ließe sich das Modell durch zukünftige Beobachtungen überprüfen: So sollte das derzeit im Bau befindliche Cherenkov Telescope Array – zwei große Antennenanlagen zum Nachweis von Gammastrahlung auf La Palma und in Chile – in der Lage sein, einige dieser Pulsare aufzuspüren.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/milchstrasse-pulsare-erklaeren-raetselhafte-gammastrahlung/