Die Rätsel um Saturn
Vor etwa 100 bis 200 Millionen Jahren zerbrach ein Mond des Saturn und aus seinen Überresten bildeten sich die Saturnringe. Auch die große Neigung der Rotationsachse des Planeten lässt sich mit dem Prozess erklären. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher nun mithilfe eines Modells von Saturn und seinen Monden, das sie anhand von Beobachtungsdaten der Raumsonde Cassini sowie mit Computersimulationen erstellten. Um das neue Modell zu bestätigen, müsse der innere Aufbau von Saturn allerdings noch genauer untersucht werden, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.
Vor knapp 4,5 Milliarden Jahren entstand der Planet Saturn aus einer Gasscheibe, die um die Sonne rotierte. Gemäß theoretischen Berechnungen sollte die Rotationsachse des Planeten nahezu senkrecht auf der Ebene seiner Umlaufbahn stehen. Doch Beobachtungen zeigen, dass die Rotationsachse von Saturn tatsächlich um etwa 26,7 Grad geneigt ist. Eine mögliche Erklärung dafür ist eine Wechselwirkung zwischen Saturn und Neptun aufgrund der zwischen ihnen wirkenden Gravitationskraft. Denn die Rotationsachse des Saturn taumelt – und zwar im gleichen Rhythmus wie die Umlaufbahn des Neptun. Dadurch könnten sich die leichten Schwankungen gegenseitig verstärken – man spricht von Resonanz – und über einen langen Zeitraum dazu führen, dass sich eine ursprünglich kleine Neigung der Achse bis auf den heutigen Wert vergrößert haben könnte.
Die Einwirkung Neptuns auf Saturn hängt sowohl von den Saturnmonden als auch vom inneren Aufbau Saturns ab. Um die Vorgänge besser zu verstehen, konstruierten Jack Wisdom vom Massachusetts Institute of Technology und seine Kollegen anhand von Daten der US-amerikanischen Raumsonde Cassini ein verbessertes Modell des Planeten. Und kamen zu einem unerwarteten Ergebnis: Saturn befindet sich laut dem neuen Modell nicht im Bereich einer Resonanz mit Neptun, sondern knapp außerhalb.
Daraufhin hatten die Forscher eine neue Idee: Vielleicht befand sich Saturn zwar ursprünglich in Resonanz mit Neptun, wurde aber dann durch ein Ereignis daraus heraus befördert. Mithilfe von theoretischen Überlegungen und einer großen Zahl von Simulationen des Planeten und seiner Monde suchten Wisdom und sein Team nach einem solchen Szenario und fanden schließlich eine Erklärung: Saturn muss ursprünglich einen weiteren Mond besessen haben. Nur mit diesem zusätzlichen Mond – der etwa so groß wie der drittgrößte Saturnmond Japetus gewesen sein soll und den die Forscher „Chrysalis“ tauften – blieb Saturn über lange Zeit in Resonanz mit Neptun.
Die Simulation der Forscher zeigte außerdem, dass die Saturnmonde ihre Umlaufbahnen im Lauf der Zeit veränderten. So wanderte insbesondere der Orbit des größten Saturnmonds Titan langsam nach außen. Vor etwa 100 bis 200 Millionen Jahren veränderte sich dadurch auch die Bahn von Chrysalis und er näherte sich dem Saturn so sehr an, dass er durch die Gezeitenkräfte des Planeten zerrissen wurde. Ein großer Teil der Trümmer fiel auf den Planeten herab und aus den Überresten bildeten sich schließlich die heutigen Saturnringe. Ohne den Einfluss von Chrysalis befand sich Saturn schließlich nicht mehr in Resonanz mit Neptun. Ob sich dieses Szenario jedoch tatsächlich so ereignet hat, ist noch unklar und hängt vor allem vom inneren Aufbau des Saturn ab. Daher sind noch genauere Daten von zukünftigen Raumsonden nötig, um das Modell zu bestätigen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/sonnensystem-die-raetsel-um-saturn/