Schwarzes Loch zerreißt einen Stern

Mit mehreren Teleskopen beobachteten Astronomen ein extremes Ereignis, das vor 8,5 Milliarden Jahren in einer fernen Galaxie stattfand.

Rainer Kayser

Kreisförmiges Gebilde im All, aus dem ein Lichtstrahl hervortritt und das von einer rötlichen Lichtspirale eingerahmt ist

Carl Knox – OzGrav, ARC Centre of Excellence for Gravitational Wave Discovery/Swinburne University of Technology

Vor 8,5 Milliarden Jahren kam es im jungen Kosmos zu einem extremen Ereignis: Ein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie zerriss mit seiner Schwerkraft einen Stern. Mit zahlreichen Teleskopen auf der Erde und im Weltall konnten Astronomen nun Strahlung beobachten, die von diesem Ereignis stammt. Wie die Wissenschaftler in den Fachblättern „Nature“ und „Nature Astronomy“ berichten, wurde ein Teil der Sternenmaterie in einem Strahl gebündelt, der nahezu exakt auf die Erde gerichtet war und sich so besonders gut beobachten ließ.

In den Zentren nahezu jeder Galaxie befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch. Wenn ein Stern in die Nähe eines solchen Schwarzen Lochs gelangt, kann er von der dort wirkenden Schwerkraft zerrissen werden – Astronomen sprechen von einem „Tidal Disruption Event“. Dabei fällt die Materie des Sterns in das Schwarze Loch hinein und leuchtet hell auf. Himmelsforscher vermuten, bereits knapp hundert derartige Ereignisse beobachtet zu haben, der eindeutige Nachweis steht jedoch meist noch aus. In seltenen Fällen bündelt das Magnetfeld des Schwarzen Lochs einen Teil der einfallenden Sternenmaterie zu einem Strahl – auch Jet genannt –, der anschließend weit ins All hinausschießt.

Ist ein solcher Jet zufällig genau auf die Erde gerichtet, ist das Ereignis von dort aus besonders hell zu sehen. Dadurch können Astronomen ein Tidal Disruption Event auch über sehr große Entfernungen hinweg beobachten. So gelang es Dheeraj Pasham vom Massachusetts Institute of Technology in den USA und seinen Kollegen nun, das Ereignis mit der Bezeichnung AT 2022cmc nachzuweisen, das 8,5 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt stattfand.

Zuerst entdeckt wurde AT 2022cmc am 11. Februar dieses Jahres mit einem Spezialteleskop am Palomar-Observatorium in den USA, das auf den Nachweis kurzzeitiger Himmelsereignisse spezialisiert ist. Rasch wurden Astronomen in aller Welt alarmiert, woraufhin sie die Strahlung des Ereignisses mit mehreren Teleskopen in allen Wellenlängenbereichen beobachteten – von der Radio- bis hin zur Röntgenstrahlung. AT 2022cmc ist erst das vierte Tidal Disruption Event, bei dem ein solcher Jet nachgewiesen werden konnte – und es besitzt die bislang größte Entfernung von der Erde.

Aus der gemessenen Strahlung konnten die Forscher einige Informationen über das Schwarze Loch gewinnen. Mit maximal zehn Millionen Sonnenmassen ist es astronomisch gesehen relativ leicht – supermassereiche Schwarze Löcher in Galaxienzentren können bis zu mehreren Milliarden Sonnenmassen enthalten. Die Daten zeigen zudem, dass es vermutlich schnell rotiert. Zur Überraschung der Forscher scheint das Magnetfeld im Bereich des Jets schwächer zu sein, als es theoretische Modelle vorhersagen. Beobachtungen von weiteren Tidal Disruption Events könnten dazu beitragen, die Entstehung solcher Jets in Zukunft noch besser zu verstehen.

Wenn Sie Videos von YouTube anschauen, werden Daten an YouTube in die USA übermittelt.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/tidal-disruption-event-schwarzes-loch-zerreisst-stern/