Genauer Blick auf das Schwarze Loch in M87

Astronominnen und Astronomen beobachten erstmals, wie ein gebündelter Materiestrahl in der Umgebung eines supermassereichen Schwarzen Lochs entsteht.

Rainer Kayser und Redaktion

Heller Strudel im All, der Strahlen aussendet

Sophia Dagnello, NRAO/AUI/NSF

Mit Radioteleskopen auf der ganzen Welt haben Astronominnen und Astronomen die Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs der Galaxie M87 so genau wie nie zuvor abgelichtet. Die Radiobilder zeigen nicht nur den Strudel der einfallenden Materie um das Schwarze Loch, sondern auch die Entstehung eines gebündelten Materiestrahls, der mit nahezu Lichtgeschwindigkeit von dem Schwarzen Loch aus ins All hinaus schießt. Nach komplizierten, jahrelangen Auswertungen präsentiert das Forschungsteam seine Ergebnisse jetzt im Fachblatt „Nature“.

Die Galaxie M87 ist 55 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und beherbergt in ihrem Zentrum ein Schwarzes Loch mit der 6,5-milliardenfachen Masse unserer Sonne. Beides zusammen – die große Masse und die astronomisch gesehen geringe Entfernung – macht M87 für die Astronominnen und Astronomen zum wichtigsten Objekt, um die Umgebung solcher gewaltigen Schwarzen Löcher zu untersuchen.

Nahezu jede Galaxie enthält in ihrem Zentrum ein großes Schwarzes Loch mit der millionen- oder gar milliardenfachen Masse der Sonne. Fällt Materie in das Schwarze Loch hinein, so sammelt sie sich zunächst in einer heißen, rotierenden Scheibe – der Akkretionsscheibe – um das Schwarze Loch an. Dort heizt sich die Materie durch innere Reibung stark auf und beginnt zu leuchten. Ein Teil der Materie fällt anschließend in das Schwarze Loch hinein. Ein anderer Teil der Materie jedoch wird – vermutlich durch Magnetfelder – abgelenkt und zu Materiestrahlen gebündelt. Diese Jets können weit ins All hinausreichen.

Um die Prozesse in der Umgebung solcher Schwarzen Löcher zu untersuchen, müssen Astronominnen und Astronomen mit hoher Auflösung in das Zentrum einer Galaxie hineinblicken. Dazu verwenden sie eine spezielle Messmethode: die Very Long Baseline Interferometry. Bei dieser Methode beobachten mehrere Radioteleskope auf der ganzen Welt gemeinsam ein Himmelsobjekt und verknüpfen ihre Daten anschließend miteinander. Bereits 2019 wurde ein aufsehenerregendes Bild des Schwarzen Lochs in der Galaxie M87 veröffentlicht, das mit einem speziellen Zusammenschluss von Radioteleskopen, dem Event Horizon Telescope, erstellt wurde. Erstmals war dort der Schatten des Schwarzen Lochs sichtbar, ein Bereich, aus dem keine Strahlung zur Erde gelangt.

Um ein noch besseres Bild der Umgebung des Schwarzen Lochs in M87 zu erhalten, hat ein Team aus 117 Forscherinnen und Forschern von insgesamt 64 Instituten nun einen globalen Zusammenschluss von Radioteleskopen speziell für Beobachtungen im Millimeterwellenbereich verwendet. Zudem nutzte das Team erstmals Verfahren der Künstlichen Intelligenz, um die Auflösung der Bilder zu erhöhen. All das machte aber auch die Auswertung und Analyse komplexer: Die Beobachtungen fanden bereits im April 2018 statt – und erst jetzt, fünf Jahre später, können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler endlich ihre Ergebnisse veröffentlichen.

in der Mitte ist ein leuchtender Ring abgebildet, rechts daneben schweifartige Muster

Aufnahme der Umgebung des Schwarzen Lochs in M87

Aber der Aufwand hat sich gelohnt: Die Radiobilder zeigen nicht nur, wie die bisherigen Aufnahmen, eine ringförmige Struktur aus heißer Materie um das Schwarze Loch. Sie lassen erstmals auch erkennen, dass von diesem Ring ein Strahl heißer, elektrisch geladener Materie ausgeht – der Beginn eines Jets. „Es ist das erste Bild, das uns zeigt, wo sich der Ring relativ zu dem energiereichen Jet befindet, der von dem zentralen Schwarzen Loch ausgeht“, erklärt Kazunori Akiyama vom Haystack Observatory in den USA, der an der Auswertung der Beobachtungsdaten beteiligt war.

„Diese neuen Ergebnisse sind so wichtig, weil sie uns zum ersten Mal einen direkten Blick in die Region ermöglichen, die die zentrale Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch und den Jet in M87 verbindet“, betont auch Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, das ebenfalls an den Beobachtungen beteiligt war. In Zukunft wollen die Forschenden ihre Beobachtungsmethode weiter verbessern, mehrere Wellenlängen gleichzeitig erfassen und auch die Polarisation der Strahlung aus dem Zentrum von M87 messen. So ließe sich dann die Temperatur der Materie und die Stärke der Magnetfelder bestimmen – und damit mehr über die physikalischen Vorgänge im Zentrum der Galaxie M87 erfahren.

Wenn Sie Videos von YouTube anschauen, werden Daten an YouTube in die USA übermittelt.

Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Datenschutzseite.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2023/aktive-galaxienkerne-genauer-blick-auf-das-schwarze-loch-in-m87/