Ein Springbrunnen für Gas

In einer nahen Galaxie strömt Gas auf das Schwarze Loch im Inneren zu – allerdings auf Umwegen.

Rainer Kayser und Redaktion

Dunkler Lichtstrudel im All, der sich um ein helles Zentrum anordnet, von dem aus konzentrisch helle Lichtwellen ausgehen

ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), T. Izumi et al.

Im Zentrum der meisten Galaxien befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch, auf das Gas zuströmt – so auch in der Circinusgalaxie. Doch nur ein kleiner Teil des Gases erreicht es dort tatsächlich auf direktem Weg. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den Radioteleskopen von ALMA beobachtet. Wie sie im Fachblatt „Science“ berichten, werden über 97 Prozent des einfallenden Gases zunächst wie in einem gigantischen Springbrunnen wieder herausgeblasen.

Bild aus dem All: in der Mitte ein Lichtstrudel umgeben von Sternen

Die Circinusgalaxie

Mit der Radioteleskopanlage ALMA in der chilenischen Atacamawüste hat das Team um Takuma Izumi vom National Astronomical Observatory of Japan in Tokio die Circinusgalaxie ins Visier genommen. Weil sie uns mit einer Entfernung von 13 Millionen Lichtjahren verhältnismäßig nah ist, lässt sie sich besonders detailliert beobachten. Zudem ist sie eine aktive Galaxie: Das bedeutet, dass große Mengen an Gas auf das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie zuströmen, das dadurch anwächst. Dabei erhitzt sich das Gas und sendet intensive Strahlung aus.

Zahlreiche Beobachtungen bestätigen diesen Gasfluss – allerdings nur bis auf etwa 300 Lichtjahre an das Schwarze Loch heran. Was näher am Schwarzen Loch passiert, ließ sich bislang nicht direkt beobachten. Es war lediglich bekannt, dass sich eng um das Schwarze Loch eine sogenannte Akkretionsscheibe bildet: eine rotierende Scheibe, in der sich das hineinströmende Gas verdichtet und auf über eine Million Grad Celsius erhitzt.

Nur drei Prozent stürzen direkt ins Schwarze Loch

Teleskopantennen vor Nachthimmel

Die Radioteleskopanlage ALMA

Mit ALMA ließ sich dieser Prozess nahe dem Schwarzen Loch nun genauer beobachten, da die Anlage noch Einzelheiten mit Größen ab 1,5 Lichtjahren sichtbar macht. So konnten Izumi und sein Team beobachten, dass der Zustrom von Gas zur Akkretionsscheibe unerwartet komplex ist. Denn die Messungen zeigen nicht nur Gas, das sich auf das Schwarze Loch zu bewegt, sondern auch starke Gasströmungen in die entgegengesetzte Richtung. Das zeige, so die Forschenden, „dass nur ein kleiner Teil des Gases – weniger als drei Prozent – tatsächlich direkt in den unmittelbaren Einflussbereich des Schwarzen Lochs gelangt“.

Der größte Teil des Gases wird durch die starke Strahlung der Akkretionsscheibe zurückgestoßen. Allerdings ist ein Teil des ausgestoßenen Gases nicht schnell genug, um dem Einfluss der Schwerkraft des Schwarzen Lochs völlig zu entkommen: Wie das hochschießende Wasser in einem Springbrunnen kommt das Gas zum Stillstand und fällt wieder zurück in Richtung des Schwarzen Lochs. Der schnellere Teil des Gases schießt weiter in die Galaxie hinaus. Dort prallt es mit weiterem Gas zusammen und kann neue Sterne entstehen lassen.

Mit diesem Blick ins Zentrum der Circinusgalaxie verstehen Astronominnen und Astromonen die physikalischen Vorgänge nahe eines supermassereichen Schwarzen Lochs nun besser. Weitere Beobachtungen aktiver Galaxien müssen allerdings zeigen, ob die springbrunnenartigen Gasströme eine Besonderheit sind oder in allen solchen Systemen auftreten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2023/aktiver-galaxienkern-ein-springbrunnen-fuer-gas/