Was die Moleküle auf Ryugu verraten
Unser Sonnensystem ist einst aus einer kalten Wolke aus Gas und Staub entstanden. Bereits dort haben sich erste organische Moleküle gebildet und später mit Wasser im Inneren entstehender Planeten zu immer komplexeren Molekülen reagiert. Diese könnten schließlich dazu beigetragen haben, dass Leben auf der Erde entstanden ist. Das zeigen Laboranalysen von Bodenproben des Asteroiden Ryugu, wie mehrere Forschungsteams in einer Sonderausgabe des Fachblatts „Science“ berichten.
Ryugu ist ein etwa 900 Meter großer Asteroid, der auf einer erdnahen Bahn um die Sonne kreist. Das macht ihn zu einem geeigneten Ziel für Raumsonden. Die im Dezember 2014 gestartete Sonde Hayabusa-2 erforschte den kleinen Himmelskörper in den Jahren 2018 und 2019 mit zahlreichen Instrumenten. Mehr noch: Zweimal landete die Sonde auf der Oberfläche von Ryugu und sammelte sowohl Proben der Oberfläche als auch Material aus tieferen Schichten, die mit einem kleinen Projektil freigeschossen worden waren. Die Sonde machte sich dann auf den Rückflug zur Erde und warf am 6. Dezember 2020 eine Kapsel mit den gesammelten Proben ab.
Gerade einmal 5,4 Gramm Gesteinsbrocken mit einer Größe von bis zu einem Zentimeter enthielt der Probenbehälter. Doch diese kleine Menge reichte den Forschern aus, um mehr über den Aufbau und die Geschichte von Ryugu zu lernen. Erste Ergebnisse von Laboruntersuchungen wurden bereits in den vergangenen zwei Jahren veröffentlicht. Jetzt folgen weitere Ergebnisse, vor allem aus Analysen organischer Stoffe – also großer Moleküle, die auf Kohlenstoff aufbauen und als wichtige Vorstufe für Leben gelten.
Die Analysen ergaben, dass das Gestein von Ryugu Tausende unterschiedlicher organischer Moleküle enthält. Wie häufig diese Stoffe in dem Gestein vorkamen und wie sie aufgebaut waren, untersuchten die Wissenschaftler. Aus dem Verhältnis der vorkommenden Isotope, also Varianten der Wasserstoff- und Stickstoffatome in den Molekülen, rekonstruierten sie die Geschichte des Asteroiden. Demnach sind einige der organischen Stoffe bereits in der Gaswolke entstanden, in der sich vor etwa 4,5 Milliarden Jahren das Sonnensystem gebildet hat.
Wie die Forscher weiter ausführen, ist Ryugu das Bruchstück eines größeren Körpers, der in der Frühzeit des Sonnensystems entstanden ist und später durch eine Kollision mit einem anderen Himmelskörper wieder zerstört wurde. Im Innern dieses Himmelskörpers waren Stoffe enthalten, die radioaktiv zerfielen und ihn aufheizten – etwa 40 Grad Celsius warm war es dort über Millionen Jahre hinweg. Diese Temperatur genügte, dass sich flüssiges Wasser und durch chemische Reaktionen immer größere Moleküle gebildet haben. Anschließend kühlte der Ursprungskörper von Ryugu langsam ab und vereiste – und seither blieben die organischen Moleküle nahezu unverändert erhalten.
Besonders erstaunte die Forscher, dass die Moleküle sogar in Ryugus Oberfläche über Jahrmilliarden hinweg erhalten blieben. Denn dort waren sie nicht nur dem Vakuum des Weltalls, sondern auch kosmischer Strahlung und der ultravioletten Strahlung der Sonne ausgesetzt. Das belege, so die Wissenschaftler, wie organische Stoffe selbst extremen Bedingungen standhalten und lange Zeit überdauern könnten. Somit könnten Meteoriten die junge Erde später mit organischen Substanzen angereichert und die Entstehung von Leben gefördert haben.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2023/asteroiden-was-die-molekuele-auf-ryugu-verraten/