Gasriese entsteht auf neuem Weg

Forschende finden erstmals planetengroße Verdichtungen bei einem jungen Stern – die erste Phase einer bislang unbeobachteten Art der Planetenentstehung.

Rainer Kayser und Redaktion

Spiralförmige orange- und violettfarbene Leuchtstrukturen auf schwarzem Hintergrund

ESO/ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/Weber et al.

Viele junge Sterne sind von rotierenden Scheiben aus Gas und Staub umgeben, in denen Planeten entstehen. Jetzt hat ein Forschungsteam erstmals planetengroße Verdichtungen in einer solchen Scheibe beobachtet. Vermutlich wird daraus ein großer Gasplanet entstehen. Somit ist dies die erste Beobachtung einer bislang nur theoretisch vorhergesagten Art der Planetenbildung, wie die Astronominnen und Astronomen im Fachblatt „Astrophysical Journal Letters“ berichten.

„Für die Entstehung großer Gasplaneten gibt es nach heutigem Wissen zwei Möglichkeiten“, erläutern Philipp Weber von der Universität Santiago in Chile und sein Team. Entweder verdichtet sich zunächst Staub zu einem Gesteinskern, der dann das Gas aus der Umgebung anzieht – ein Prozess namens Kernakkretion. Bei der zweiten Möglichkeit, der Gravitationsinstabilität, wird dagegen die Gas- und Staubscheibe durch die Schwerkraft instabil. Dadurch verdichtet sich das Material an mehreren Stellen. Dort bildet es Protoplaneten, also die Vorstufen von Planeten, die durch Zusammenstöße weiter zu Planeten verschmelzen.

Das zweite Szenario war in den vergangenen Jahren jedoch in den Hintergrund gerückt, da in protoplanetaren Scheiben um junge Sterne lediglich Hinweise auf Kernakkretion zu finden waren. „Niemand konnte bislang eine Gravitationsinstabilität auf planetaren Skalen beobachten“, so Weber. Doch das hat sich mit den Beobachtungen seines Teams nun geändert.

Das Forschungsteam hatte den über 5000 Lichtjahre entfernten Stern V960 Monocerotis mit dem Very Large Telescope in Chile beobachtet. Ihre Messungen zeigen in der Gas- und Staubscheibe auffällige spiralförmige Strukturen: Jede Einzelne davon ist größer als unser ganzes Sonnensystem. Durch diese Entdeckung motiviert, durchforstete das Team die Archivdaten der Teleskopanlage ALMA nach weiteren, hochaufgelösten Daten für den Stern.

Teleskopschüsseln auf einer Ebene in bergigem Gelände

Die Teleskopanlage ALMA

Daraus erhofften sich die Forschenden Erkenntnisse, die ihnen die ursprünglichen Daten nicht liefern konnten. Denn während das Very Large Telescope die Strukturen der Gas- und Staubscheibe von außen zeigt, blicken die Mikrowellenantennen von ALMA in diese Strukturen hinein. Und so wurde das Team fündig: Aufnahmen des Objekts von ALMA aus dem Jahr 2014 – damals strahlte der Stern für eine kurze Zeit auffällig hell – zeigen planetengroße Verdichtungen in den Spiralarmen. Die Arme zerfallen also in kleinere Klumpen.

„Die Beobachtungen sind in guter Übereinstimmung mit theoretischen Simulationen der Gravitationsinstabilität“, betonen Weber und sein Team. Dieser Prozess scheint also neben der Kernakkretion ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung großer Gasplaneten zu spielen. Möglicherweise entscheiden andere Phänomene – wie bei V960 Monocerotis etwa der vorangegangene Helligkeitsausbruch – darüber, welcher Mechanismus jeweils zum Zuge kommt, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2023/planetenentstehung-gasriese-entsteht-auf-neuem-weg/