Kosmische Zeitlupe
Rainer Kayser und Redaktion
Quasare – leuchtkräftige Himmelsobjekte im fernen Universum – flackern umso langsamer, je weiter sie von uns entfernt sind. Das zeigen zwei Forscher durch eine statistische Analyse der Helligkeitsschwankungen von 190 Quasaren über zwei Jahrzehnte hinweg. Die Verlangsamung liege jedoch nicht an den Quasaren selbst, sondern an der Ausdehnung des Weltalls, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Astronomy“.
Im Zentrum zahlreicher Galaxien befinden sich supermassereiche Schwarze Löcher – und viele davon sind Quasare: Sie leuchten hell auf, da Materie in sie hineinströmt und dabei viel Energie frei wird. Oft sind sie um ein Vielfaches heller als die ganze Galaxie, in der sie sich befinden. Da der Zustrom von Materie jedoch ungleichmäßig ist, leuchten die Quasare ständig unterschiedlich hell: Sie flackern.
Beobachtet man entfernte Quasare, blickt man weit in die Vergangenheit des Alls. Denn wer das Licht eines Milliarden Lichtjahre entfernten Objekts betrachtet, sieht das Objekt so, wie es vor Milliarden Jahren ausgesehen hat. Und nicht nur das: Weil das Licht so weit aus der Vergangenheit stammt, unterliegt die Beobachtung ferner Objekte einer kosmischen Zeitlupe. Denn das Universum wird seit seiner Entstehung vor 13,8 Milliarden Jahren immer größer – und davon ist auch die Strahlung betroffen, die auf dem Weg zur Erde den sich ausdehnenden Weltraum durchquert. Die Expansion des Universums dehnt nicht nur die Wellenzüge der Strahlung – ihre Farbe verschiebt sich von Blau in Richtung Rot. Auch die Abstände zwischen mehreren Lichtblitzen, die ein Himmelsobjekt aussendet, vergrößern sich: Das Flackern der Blitze trifft also verlangsamt auf der Erde ein.
Dieser Effekt ist bei Supernovae schon lange bekannt: Die Sternexplosionen scheinen umso langsamer abzulaufen, je weiter sie von der Erde entfernt sind. Doch bei Quasaren ließ sich das Phänomen bisher nicht nachweisen. Deshalb spekulierten manche Forscherinnen und Forscher bereits, die Helligkeitsschwankungen der Quasare hätten möglicherwiese andere, näher an der Erde liegende Ursachen. Oder es handele sich um einen Hinweis auf ein gravierenderes Problem im heutigen kosmologischen Modell des Universums.
Doch der Astrophysiker Geraint Lewis von der University of Sydney und der Mathematiker und Statistikexperte Brendon Brewer von der University of Auckland sind dem verlangsamten Flackern der Quasare jetzt auf die Spur gekommen. Da es besonders schwierig ist, den Effekt bei Quasaren nachzuweisen – im Gegensatz zum explosionsartigen Blitz einer Supernova verläuft ihr Flackern nämlich unregelmäßig – benötigten Lewis und Brewer eine spezielle Methode: Sie nutzten moderne Analyseverfahren der sogenannten Bayes-Statistik. Diese Verfahren sind zwar rechnerisch sehr aufwendig, ermöglichen es aber, unterschiedliche Erklärungsansätze für Beobachtungsdaten zu prüfen und zu vergleichen.
Ihr Befund: Die Erklärung, das variierende Flackern der Quasare sei abhängig von ihrer Entfernung, ist laut der Analyse deutlich schlüssiger als andere Deutungsansätze. Einen Konflikt mit den derzeit anerkannten Modellen der Kosmologie gebe es folglich nicht. Beobachtungen von immer mehr Quasaren über einen immer größeren Zeitraum könnten künftig sogar die Möglichkeit bieten, einen Einblick in die Entwicklung von Quasaren zu erhalten.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2023/quasare-kosmische-zeitlupe/