Sauerstoff in der Venusatmosphäre
Anne-Dorette Ziems
Die Venus ähnelt der Erde in Volumen, Masse und Dichte. Die Bedingungen auf der Oberfläche sind allerdings buchstäblich erdrückend: Dort herrscht eine Temperatur von durchschnittlich 464 Grad Celsius und der Atmosphärendruck ist etwa 90 mal so hoch wie auf der Erde. Warum sich die Atmosphäre der Venus so sehr von der Erdatmosphäre unterscheidet, ist bis heute ungeklärt. Ihre Zusammensetzung kann jedoch Hinweise darauf geben. Einer Forschungsgruppe ist es jetzt erstmals gelungen, atomaren Sauerstoff auf der Tagseite der Venus direkt nachzuweisen. Im Fachmagazin „Nature Communications“ berichtet sie, dass diese Beobachtung eine neue Möglichkeit bietet, die Venusatmosphäre in bestimmten Höhen zu erforschen.
In der Luft, die wir atmen, kommt Sauerstoff in Pärchen vor: Zwei Sauerstoffatome bilden aneinander gebunden den sogenannten molekularen Sauerstoff. Atomarer Sauerstoff ist dagegen Sauerstoff, der als einzelnes Atom vorkommt. Auf der Venus wird atomarer Sauerstoff auf der Tagseite aus Kohlendioxid und Kohlenmonoxid produziert. In einem Photolyse genannten Prozess spaltet Sonnenstrahlung die chemische Verbindung der Atome und trennt den Sauerstoff vom Kohlenstoff. Der atomare Sauerstoff wird dann zur Nachtseite transportiert und verbindet sich dort zu molekularem Sauerstoff. Bisher konnte der atomare Sauerstoff auf der Tagseite der Venus nur indirekt nachgewiesen werden – durch den direkten Nachweis von anderen Molekülen, die an diesen chemischen Prozessen beteiligt sind.
Nun ist der Forschungsgruppe um Heinz-Wilhelm Hübers vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum erstmals ein direkter Nachweis gelungen – mit Hilfe der fliegenden Sternwarte SOFIA. Sie konnten in Lichtspektren eine Absorptionslinie von Sauerstoff im Terahertzbereich beobachten. Das ist mit erdgebundenen Teleskopen schwierig, weil auch Wasserdampf in der Erdatmosphäre bestimmte Wellenlängen des Lichts absorbiert.
Sauerstoff ist überall zu finden – aber unterschiedlich verteilt
Insgesamt haben die Forschenden 17 Punkte auf der Venus vermessen: sieben davon auf der Tagseite, neun auf der Nachtseite und einen an der Tag-Nacht-Grenze. An allen Punkten wiesen sie atomaren Sauerstoff nach. Auf der Tagseite, wo dieser produziert wird, kommt mehr atomarer Sauerstoff vor. Generell ist die Konzentration in einer Höhe von 90 bis 120 Kilometern über der Oberfläche am höchsten.
Zukünftige Weltraumissionen wie die DAVINCI-Mission der NASA oder die EnVision-Mission der ESA können laut Hübers ein noch detailliertes Bild dieser Höhen liefern. Zusammen mit Messungen von atomarem Sauerstoff in den Atmosphären von Erde und Mars könnten die Ergebnisse Forschenden helfen, der Frage auf den Grund zu gehen, warum sich die Venus so anders entwickelt hat als die Erde.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2023/sonnensystem-sauerstoff-in-der-venusatmosphaere/