So sähen Aliens unsere Milchstraße
Anne-Dorette Ziems
Von der Erde aus können wir weit entfernte Galaxien von außen beobachten. Sich einen Blick von der Milchstraße als Ganzes zu verschaffen, ist jedoch nicht so einfach. Was man sähe, würde man aus anderen Galaxien auf unsere blicken, hat eine Forschungsgruppe jetzt untersucht. Dabei zeigte sich: Der durchschnittliche Metallgehalt der Sterne in der Milchstraße nimmt vom Zentrum nach außen hin zu, nach einem Maximum etwa bei der Hälfte des Gesamtradius jedoch wieder ab. Damit sei die Milchstraße ungewöhnlich, aber nicht einzigartig, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature Astronomy“ berichten.
Mit Metall ist dabei allerdings etwas anderes gemeint als im Alltagssprachgebrauch oder der Chemie: Sterne bestehen hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium. Alle schwereren Elemente heißen in der Astronomie Metalle. Sie entstehen durch Kernfusion in Sternen. Wenn jene dann später explodieren, schleudern sie auch die Metalle ins Weltall. Über die Zeit steigt dadurch der Metallgehalt im interstellaren Medium, dem dünnen Gasgemisch zwischen den Sternen – und neue Sterne haben bei ihrer Entstehung mehr Metalle zur Verfügung. Deswegen gilt: Ältere Sterne enthalten weniger Metalle als jüngere Sterne.
Zu welchen Anteilen sich die Sterne in der Milchstraße aus leichten und schweren Elementen zusammensetzen, hat das Team um Jianhui Lian vom Max-Planck-Institut für Astronomie und der Universität Yunnan nun untersucht. Dazu haben sie die Strahlungsspektren von Sternen analysiert, die aus vergangenen Durchmusterungen der Milchstraße verfügbar waren.
Aus der chemischen Zusammensetzung konnten sie außerdem auf das Alter der Sterne schließen. Dabei haben sie festgestellt: Je näher Sterne gleichen Alters am Zentrum der Milchstraße sind, desto höher ist ihr Metallgehalt. Außerdem kommen ältere Sterne häufiger nahe des Zentrums der Milchstraße vor, während jüngere Sterne vermehrt am Rand unserer Galaxie zu finden sind. Beide Effekte zusammengenommen führen dazu, dass am meisten Sterne mit hohem Metallgehalt etwa 23 000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt zu finden sind – etwa auf der halben Strecke zu deren Rand.
Dieses Ergebnis haben Lian und seine Kolleginnen und Kollegen mit anderen Galaxien – sowohl realen als auch simulierten – verglichen. Dabei haben sie Vergleichsgalaxien ausgewählt, die eine ähnliche Masse wie die Milchstraße haben, in denen ähnlich viele Sterne entstehen und die wir von der Erde aus direkt von oben sehen.
Der Vergleich ergab: In etwa elf Prozent der simulierten und etwa einem Prozent der existierenden Galaxien ist der Metallgehalt vergleichbar wie in der Milchstraße. Diese ungewöhnliche chemische Zusammensetzung liege möglicherweise an einer aktiven Phase des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße, so Lian und sein Team. Dieses habe dann die Sternentstehung in seiner Nähe gehemmt. Der niedrige Metallgehalt in den äußeren Regionen könnte wiederum dadurch erklärt werden, dass sich die Milchstraße eine kleinere Galaxie mit niedrigem Metallgehalt einverleibt hat. Allerdings könne auch die Schätzung für die Ausdehnung der Milchstraße nicht genau sein und den Vergleich mit anderen Galaxien verzerren, räumen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein.
Auch wenn uns ein realer Blick von außen auf die Milchstraße weiterhin verwehrt bleiben wird: Diese Studie zeigt, wo man aus dieser Perspektive Sterne aus leichten Elementen und solche aus schweren beobachten würde und was im Vergleich mit zahlreichen anderen Galaxien auffiele. In Zukunft könnten diese Vergleiche durch weitere systematische Durchmusterungen von Galaxien und Sternen noch besser werden. Das würde es noch einfacher machen, eine extragalaktische Perspektive einzunehmen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2023/sterne-so-saehen-aliens-unsere-milchstrasse/