Ende eines Planeten
Rainer Kayser und Redaktion
Am Ende seiner Lebenszeit dehnt sich ein Stern aus. Dann können Planeten auf nahen Umlaufbahnen in ihn hineinfallen und verglühen. Nun hat ein Forschungsteam ein solches Ereignis erstmals direkt beobachtet: 12 000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist ein großer Gasplanet in seinen Stern gestürzt und hat einen gewaltigen Strahlungsausbruch ausgelöst. Zehn Tage lang leuchtete der Stern hundert Mal heller als normal, berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.
Im Laufe ihrer Entwicklung dehnen sich Sterne aus. Dabei sollten – so die bisherige Theorie – nahe Planeten in den Zentralstern fallen und ein hell leuchtender Ausstoß von Materie entstehen. Beobachtet wurde ein solches Ereignis jedoch noch nie – bis zum 25. Mai 2020: An jenem Tag registrierte die Zwicky Transient Facility, ein Spezialteleskop der Sternwarte Mount Palomar, eine auffällige Helligkeitsänderung bei einem 12 000 Lichtjahre entfernten, sonnenähnlichen Stern.
Im Verlauf von zehn Tagen leuchtete dieser Stern mit dem Namen ZTF SLRN-202 hundert Mal heller als sonst, dann schwächte sich seine Strahlung wieder auf das vorherige Maß ab. „Der Ausbruch war anders als alles, was ich zuvor gesehen hatte“, erinnert sich Kishalay De vom Massachusetts Institute of Technology. Mithilfe weiterer Beobachtungen versuchten er und sein Team, der Ursache des rätselhaften Strahlungsausbruchs auf die Spur zu kommen. Dabei stellten sie in den Beobachtungsdaten einer Infrarotkamera fest, dass zeitgleich auch ein Ausbruch infraroter Strahlung zu beobachten war – der sogar hundert Tage lang anhielt.
Für die Forschenden war dies ein Indiz dafür, dass der Stern eine große Menge an Gas und Staub ausgestoßen hatte und diese Materie nun langsam abkühlte und dabei sichtbare wie auch Infrarotstrahlung aussandte. Was aber hatte den Ausbruch verursacht? Die Astronominnen und Astronomen kamen zu dem Schluss: Hier war ein Planet in seinen Stern gefallen. Wie ihre Berechnungen zeigen, fiel der Planet – ein jupiterähnlicher Gasriese – in den Stern hinein und brachte diesen aus dem Gleichgewicht. Es kam zu einer gewaltigen Eruption, wobei der Stern etwa das 33-Fache der Erdmasse an Wasserstoff ins All ausstieß.
Neben den Unmengen an Wasserstoff enthielt die ausgeworfene Materie aber auch eine große Menge an Staub – etwa ein Drittel der Erdmasse. Dabei handelt es sich möglicherweise um Überreste des felsigen Kerns des zerstörten Planeten. Das Gas und der Staub kühlten dann ab und sendeten – immer noch verhältnismäßig warm – die infrarote Wärmestrahlung aus, die über einen längeren Zeitraum zu beobachten war. Bei ihren Berechnungen fanden De und sein Team auch heraus, dass das ausgestoßene Material mit rund 100 000 Kilometern pro Stunde deutlich langsamer war als die Fluchtgeschwindigkeit, die benötigt wird, um der Anziehungskraft des Sterns dauerhaft zu entkommen. Damit dürfte die Materie im Laufe der Zeit überwiegend wieder auf den Stern zurückfallen.
Das führt dann zu einer Art Verschmutzung der Atmosphäre des Sterns mit schweren Elementen. Solche Anreicherungen hat man bereits häufig bei Sternen beobachtet und als Folge der Zerstörung von Planeten gedeutet. „Doch bislang haben wir nie einen Stern direkt bei diesem Vorgang erwischt“, so De. „Jetzt haben wir das finale Schicksal eines Planeten praktisch in Echtzeit beobachten können.“ Mithilfe der gesammelten Daten lässt sich die Suche nach solchen Ereignissen künftig verfeinern. In unserer Milchstraße sollten in jedem Jahr mehrere solcher Ereignisse stattfinden, schätzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2023/sternentwicklung-ende-eines-planeten/