Jeder zwölfte Stern hat Planeten verschluckt
Anne-Dorette Ziems
Die Definition eines Planeten beinhaltet, dass der Himmelskörper einen Stern umrundet. Diese Umlaufbahnen sind in der Regel stabil – sie bleiben immer gleich. Doch es gibt Ereignisse, die diese Stabilität brechen können und den Planeten so aus seiner Bahn werfen, dass er schließlich von seinem Stern verschluckt wird. Und die sind gar nicht so selten: Wie eine Forschungsgruppe im Fachmagazin „Nature“ berichtet, haben sich acht Prozent aller Sterne in Doppelsternsystemen wahrscheinlich schon mal einen Planeten einverleibt.
Doppelsterne entstehen zusammen aus der gleichen galaktischen Staubwolke. Das bedeutet auch, dass sie die gleiche chemische Zusammensetzung haben. Sobald einer der beiden Sterne einen Planeten verschluckt, ändert sich dessen Zusammensetzung allerdings. Deswegen eignen sich Doppelsterne gut, um verschluckte Planeten aufzuspüren.
Fan Liu und sein Team haben 91 Doppelsternsysteme untersucht. Mit drei verschiedenen Teleskopen – dem Very Large Telescope, dem Magellan-Teleskope und dem Keck-Observatorium – haben sie Spektren der einzelnen Sterne aufgenommen und die chemische Zusammensetzung der jeweils zusammengehörenden Sterne verglichen. Bei etwa acht Prozent der Doppelsterne unterschieden sich die Spektren – Anzeichen für einen verschluckten Planeten.
Verschiedene Szenarien für die unterschiedliche Chemie
In den ersten 100 Millionen Jahren nach der Entstehung ist ein Planetensystem noch viel turbulenter. In dieser Zeit passiere es laut Liu vermutlich häufiger, dass ein Stern einen Planeten verschluckt – diese Ereignisse ließen sich jedoch Milliarden Jahre später wohl nicht mehr in Unterschieden der chemischen Zusammensetzung messen. Deswegen gehen die Forschenden davon aus, dass die in dieser Studie identifizierten Sterne deutlich später einen Stern verschluckt haben. Die Dunkelziffer wäre in dem Fall deutlich höher.
Im Nachhinein ist es schwer möglich, herauszufinden, was genau den Planeten aus der Bahn geworfen und in den Stern getrieben hat. Deswegen können die Forschenden über die Ursache nur spekulieren: Ein Vorbeiflug eines einzelnen Planeten, der keinen Stern umkreist, oder eines anderen Sterns könnte die Störung verursacht haben. Auch, dass ein innerer Planet langsam seine Atmosphäre verliert und deswegen instabil wird, wäre möglich.
Vielleicht sind manche der Beobachtungen auch ein falscher Alarm. Denn andere Ereignisse können ebenso für Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung der Doppelsterne sorgen: Der Stern könnte beispielsweise eine protoplanetare Scheibe verschluckt haben – oder das Gegenteil ist der Fall und Gasriesen um einen Stern verhindern, dass er Materie aus den äußeren Regionen des Planetensystems aufnimmt. Doch wahrscheinlich hätten solche Ereignisse für deutlich geringere Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung gesorgt, als die Forschenden beobachtet haben. Weitere Untersuchungen könnten in Zukunft die Messergebnisse aus dieser Studie mit verschiedenen Modellen zur Entstehung von protoplanetaren Scheiben und Planeten vergleichen und diese Unsicherheit so ausräumen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2024/doppelsterne-jeder-zwoelfte-stern-hat-planeten-verschluckt/