Gezeiten beeinflussen Eisfontänen auf Enceladus

Mit Computersimulationen untersuchen Forschende die Ursache eines Phänomens am Südpol des Saturnmondes.

Rainer Kayser

Eine, nach oben geöffnete, Halbkugel vor blau-violettem Hintergrund: Das Zentrum der Halbkugel ist rot, darum herum befindet sich eine dunkelblaue Schicht. Die äußerste Schicht ist hellblau und hat Risse aus denen Licht fällt.

James Tuttle Keane

Am Südpol des Saturnmondes Enceladus schießen Fontänen aus Eiskristallen mehrere Tausend Kilometer weit ins All hinaus. Mithilfe von Computersimulationen sind Forschende nun dem physikalischen Mechanismus auf die Spur gekommen, der diese Eisfontänen auslöst. Die Modellrechnungen zeigen insbesondere, warum die Intensität der Fontänen von der Umlaufbahn des Saturnmondes abhängt, berichten die Forschenden im Fachblatt „Nature Geoscience“.

Enceladus ist mit einem Durchmesser von etwa 500 Kilometern der sechstgrößte Mond des Planeten Saturn. Beobachtungen der Raumsonde Cassini haben bereits im Jahr 2005 gezeigt, dass die südpolare Region von Enceladus geologisch aktiv ist. Die Aktivität konzentriert sich auf vier 130 Kilometer lange und jeweils zwei Kilometer breite Einschnitte im Eispanzer des Himmelskörpers, die auch Tigerstreifen genannt werden. Und da aus diesen Einschnitten die Eisfontänen hervorschießen, vermuten Forschende, dass sich unter der 30 bis 40 Kilometer dicken Eisschicht am Südpol von Enceladus ein Ozean aus Wasser befindet.

Intensität der Eisfontänen hängt von Gezeitenkräften ab

Die Messdaten von Cassini zeigen zudem, dass die Stärke der Fontänen in einem Rhythmus von 32,9 Stunden variiert. „Das stimmt mit der Umlaufperiode des Mondes um seinen Planeten Saturn überein“, erläutern Alexander Berne vom California Institute of Technology in den USA und sein Team. Das deutet bereits darauf hin, dass Gezeitenkräfte eine wichtige Rolle für das Entstehen der Fontänen spielen. Allerdings stimmt die maximale Aktivität nicht mit dem Zeitpunkt überein, an dem die Gezeitenkräfte am stärksten sind – sondern tritt erst einige Stunden später auf. Und wenn sich der Mond etwa auf dem davon gegenüberliegenden Punkt seiner Umlaufbahn befindet, kommt es zu einem zweiten, schwächeren Höhepunkt.

Eine schematische Illustration zeigt einen Ausschnitt der Eisschicht von Enceladus. Sie ist in drei Abschnitte geteilt, die aus jeweils zwei übereinanderliegende Schichten bestehen. Die obere Schicht ist mit "ice shell" beschriftet, die untere mit "sub-surface ocean". In jeweils der Mitte der drei Stücke verläuft ein Riss, welcher mit "fault" und "Tiger Stripes" beschriftet ist. Aus dem  Riss kommen Lichtstreifen, welche als "jets" bezeichnet werden. Auf den zwei äußeren Stücken sind blaue und rote Pfeile dargestellt, die in entgegengesetze Richtung verlaufen.

Aktivität im Bereich der Tigerstreifen

Berne und sein Team haben mit ihrem Computermodell untersucht, wie sich die schwankende Anziehungskraft von Saturn auf die Region der Tigerstreifen auswirkt. Die Simulationen ergaben, dass sich die Gezeitenkräfte nicht gleichmäßig auf die beiden Seiten der Einschnitte auswirken. Stattdessen baut sich dazwischen eine Spannung im Eispanzer auf, die sich dann ruckartig löst. Diese sogenannten Strike-Slips führen dazu, dass der Höhepunkt der Eisfontänen verspätet auftritt. Die zweitstärkste Fontäne trete dann beim Nachlassen der inneren Spannung im Eispanzer auf. „Diese Ergebnisse der Simulation sind in guter Übereinstimmung mit den von Cassini beobachteten Variationen der Eisfontänen“, stellen die Forschende zufrieden fest.

Allerdings betonen Berne und sein Team, dass sie mit ihrer Simulationen lediglich die Deformation der Eiskruste betrachtet haben und nicht den Prozess, der die Fontänen verursacht. Die Wärme, die durch Reibung in den bewegten Eisschichten entsteht, reiche allerdings mit Sicherheit nicht aus, um das Entstehen der Eisfontänen zu erklären. Die Forschenden vermuten daher, dass sich durch die Aktivität im Bereich der Tigerstreifen kleine Öffnungen im Eispanzer bilden, durch die Wasser aus dem darunter liegenden Ozean herausschießen und zu Eis kristallisieren kann.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2024/eismonde-gezeiten-beeinflussen-eisfontaenen-auf-enceladus/