Doch keine Krise der Kosmologie?

Einige der frühen Galaxien, die mit dem James-Webb-Teleskop entdeckt wurden, weckten Zweifel am Standardmodell der Kosmologie. Jetzt gibt es eine mögliche Erklärung.

Anne-Dorette Ziems

diverse Galaxien auf schwarzem Hintergrund

NASA, ESA, CSA, Steve Finkelstein (University of Texas at Austin)

Bereits kurz nachdem das James-Webb-Teleskop seine Arbeit aufgenommen hatte, war die Überraschung groß: Das Weltraumteleskop hatte Galaxien aus dem frühen Universum entdeckt, die es so gar nicht geben sollte. Sie seien zu massereich, um sie mit der bisherigen Kosmologie zu erklären. Jetzt gibt eine Forschungsgruppe Entwarnung: Im Fachmagazin „The Astrophysical Journal” berichten sie, dass einige der neu entdeckten Galaxien womöglich gar nicht so schwer sind wie ursprünglich gedacht.

Das Standardmodell der Kosmologie beschreibt unser Universum und wie es sich seit dem Urknall entwickelt hat. Demnach ist das Universum vor 13,8 Milliarden Jahren entstanden und dehnt sich seitdem aus. Auch die Tatsache, dass das Universum zu fünf Prozent aus gewöhnlicher Materie, zu 25 Prozent aus Dunkler Materie und zu 70 Prozent aus Dunkler Energie besteht, ist in diesem Modell verankert. Verschiedene Beobachtungen bestätigen das Standardmodell der Kosmologie, weswegen es diesen Titel trägt.

Doch zuletzt hatte das James-Webb-Teleskop Diskussionen entfacht, ob Teile dieses Standardmodells nicht ganz richtig sind. Denn mit dem neuen Instrument haben Forschende Galaxien entdeckt, die aufgrund ihrer großen Masse scheinbar zu alt fürs Universum sind. Galaxien brauchen Zeit, um sich zu entwickeln und so massereich zu werden, wie es beispielsweise unsere Milchstraße heute ist.

Nun hat das Team um Katherine Chworowsky von der University of Texas at Austin sich diese Galaxien noch einmal angesehen. Ihre Arbeit stützt sich ebenfalls auf Daten des James-Webb-Teleskops, die es im Rahmen der sogenannten Cosmic Evolution Early Release Science – CEERS – Survey aufgenommen hat. Aus diesem Datensatz haben die Forschenden eine Reihe massereicher Galaxien mit hoher Rotverschiebung ausgewählt, analysiert und ihre Massen bestimmt.

Große Galaxie oder aktives Schwarzes Loch

Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass das Standardmodell der Kosmologie noch immer gültig ist. Denn sie können eine Erklärung für die scheinbar zu massereichen Galaxien präsentieren: Womöglich stammt das mit dem Teleskop gemessene Licht nicht von den Sternen in der Galaxie, sondern von aktiven Galaxiekernen – also Schwarzen Löchern. Diese ziehen große Mengen Gas an, wobei sie Licht und Wärme abstrahlen. In diesem Fall hätten die Galaxien also nicht so viele Sterne wie gedacht und somit auch nicht so viel Masse. Die Forschenden stellten fest, dass es für viele Galaxien nicht möglich ist, akkurat zu bestimmen, ob Sterne oder ein Schwarzes Loch hinter dem Leuchten stecken. Wenn sie diese Galaxien aus ihrer Stichprobe herausnehmen, folgen die übrigen, was ihre Masse angeht, dem Standardmodell der Kosmologie.

Wie so oft folgt der beantworteten Forschungsfrage allerdings direkt die nächste: In den Daten des James-Webb-Teleskops aus dem frühen Universum finden sich etwa doppelt so viele Galaxien wie vorhergesagt. Eine mögliche Erklärung dafür sei laut Chworowsky und ihrem Team, dass Sterne im frühen Universum schneller entstanden sind als heute, weil das Universum damals dichter war. Mit weiteren Beobachtungsdaten können Forschende hoffentlich auch diese Frage klären.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2024/james-webb-teleskop-doch-keine-krise-der-kosmologie/