Überraschend viele Meteoriteneinschläge
Rainer Kayser und Redaktion
Pro Jahr schlagen auf dem Mars über 300 Meteoriten ein, die über 80 Zentimeter groß sind und Krater mit Durchmessern von mehr als acht Metern verursachen. Das zeigen die zur Erde gefunkten seismologischen Messdaten der NASA-Mission InSight, die von zwei Forschungsteams unabhängig voneinander ausgewertet wurden. Damit schlagen auf dem Mars zwei- bis dreimal mehr Meteoriten ein als bislang gedacht. Mithilfe dieser Ergebnisse lässt sich das Alter von verschiedenen Regionen auf dem Mars nun genauer bestimmen. Doch auch für andere Himmelskörper seien die neuen Ergebnisse von großer Bedeutung, berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Fachblättern „Science Advances“ und „Nature Astronomy“.
Astrominnen und Astronomen leiten das Alter unterschiedlicher Regionen von Planeten- und Mondoberflächen aus der Anzahl der gezählten Krater ab: Je mehr Krater sichtbar sind, desto jünger ist die Oberfläche. Denn die Spuren von Einschlägen verschwinden durch Erosionsprozesse im Laufe der Zeit. Doch um nicht nur das relative, sondern auch das absolute Alter einer Region zu bestimmen, muss die Zahl der Einschläge pro Jahr bekannt sein. Deshalb suchen Forschende auf den Aufnahmen von Raumsonden nach neuen Kratern – so auch auf Bildern der Marsoberfläche, die mit den zahlreichen Missionen in der Marsumlaufbahn gemacht werden.
Extrapoliert auf die gesamte Oberfläche des Roten Planeten ergibt sich aus diesen Analysen, dass pro Jahr etwa 90 neue Krater auf dem Mars entstehen, die größer als acht Meter sind. Doch dieses Ergebnis ist mit vielen Unsicherheiten behaftet, da sich nicht die gesamte Marsoberfläche permanent überwachen lässt. Deswegen suchen Forscherinnen und Forscher nach anderen Verfahren, um die Marsoberfläche zu beobachten. So kam nun die Raumsonde InSight ins Spiel, die im November 2018 auf unserem Nachbarplaneten landete.
Einschläge auf dem Mars mit einem Seismometer beobachten
An Bord der Sonde befindet sich nämlich unter anderem ein Seismometer – also ein Instrument, das in erster Linie dazu dient, Informationen über den inneren Aufbau des Planeten zu erhalten. So wie auf der Erde, wird durch das Messen von Marsbebenwellen ein Blick in das Innere möglich. Doch das Seismometer registriert, wie sich zeigte, nicht nur die Marsbeben, sondern auch Erschütterungen durch Einschläge von Meteoriten. Diese unterscheiden sich von den Beben durch charakteristische, hochfrequente Schwingungen des Marsboden und wurden nun von zwei Forschungsteams genauer untersucht.
Die Analyse der InSight-Daten durch Géraldine Zenhäusern von der ETH Zürich und ihrem Team lieferte einen überraschend hohen Wert: Im Mittel 362 Mal pro Jahr erschüttern Einschläge die Marsoberfläche. Bei vielen ließ sich sogar die Region des Einschlags lokalisieren und damit auch tatsächlich auf Bildern zuvor übersehene Krater aufspüren. Allein auf Grundlage der so gefundenen Krater ergeben sich 280 Einschläge pro Jahr. Für das Team ist das ein Nachweis dafür, dass es sich bei den hochfrequenten Ereignissen tatsächlich überwiegend um Meteoriteneinschläge handelt.
Dieses Ergebnis bestätigen auch Ingrid Daubar von der Brown University in den USA und ihre Kolleginnen und Kollegen. Diese Forschungsgruppe konzentrierte sich bei ihrer Analyse der InSight-Daten auf besonders starke Erschütterungen – also auf größere Meteoriten oder Einschläge in der näheren Umgebung der Sonde. Damit stehen auch bisherige Altersbestimmungen auf dem Prüfstand, die vor allem auf dem Zählen der Krater basieren. „Wenn sich unsere Resultate bestätigen, müssen bisherige Modelle zur Abschätzung des Alters planetarer Oberflächen überdacht werden“, so Daubar. Und zwar nicht nur für den Mars, sondern auch für andere Himmelskörper überall im Sonnensystem.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2024/mars-ueberraschend-viele-meteoriteneinschlaege/