Längste Plasmastrahlen aus Schwarzem Loch
Rainer Kayser und Redaktion
Es ist ein neuer Rekord: Über die gewaltige Strecke von 23 Millionen Lichtjahren hinweg schleudert ein supermassereiches Schwarzes Loch Materie in zwei gebündelten Strahlen ins All hinaus. Wie ein Forschungsteam im Fachblatt „Nature“ berichtet, beeinflusst das vermutlich stärker als bislang angenommen, wie Galaxien in der Umgebung solcher Schwarzen Löcher entstehen.
Im Zentrum nahezu aller Galaxien befinden sich Schwarze Löcher, die millionen- oder gar milliardenfach schwerer sind als die Sonne. Mit ihrer starken Anziehungskraft ziehen sie Gas aus der Umgebung an. So nehmen sie immer weiter an Masse zu. Doch ein Teil des Gases fällt nicht in die Schwarzen Löcher hinein, sondern wird durch Magnetfelder abgelenkt und in zwei gebündelten Materiestrahlen, Jets genannt, als heißes Plasma wieder ins All hinauskatapultiert.
Radioantennen aus ganz Europa spüren Riesenjets auf
Lange war man davon ausgegangen, dass diese Jets typischerweise einige hunderttausend Lichtjahre lang sind. Doch das änderte sich im Jahr 2018: Bei der Untersuchung von großräumigen kosmischen Strukturen mit der Radioteleskopanlage LOFAR stieß ein Forschungsteam auf zahlreiche Materiestrahlen, die mehrere Millionen Lichtjahre lang waren. LOFAR misst langwellige Radiowellen mit europaweit verteilten Antennen – und ist damit das größte Radioteleskop der Welt. Inzwischen hat LOFAR über 8000 Paare derartiger Jets aufgespürt, darunter auch den bisherigen Rekordhalter mit einer Länge von 16 Millionen Lichtjahren.
Nun stießen Forschende um Martijn Oei vom California Institute of Technology in den USA und der Universität Leiden in den Niederlangen auf den längeren Jet – ebenfalls mit LOFAR. Sie benannten ihn nach einem Riesen der griechischen Mythologie „Porphyrion“. Seine Materiestrahlen sind etwa so lang, als reihe man unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, 140 Mal nebeneinander auf. Bei Beobachtungen mit weiteren großen Teleskopen entdeckte das Team auch den Ursprung der Jets: eine Galaxie im Zentrum der Jets, die etwa zehn Mal so groß wie unsere Milchstraße und 7,5 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt ist.
Doch das Ergebnis könnte nur der Anfang sein: Denn LOFAR hat bislang gerade einmal 15 Prozent des Himmels abgesucht. Es könnte also noch viel mehr dieser gigantischen Materiestrahlen geben, die dann Aufschluss über die Entwicklung von Galaxien geben. „Wir wissen heute, dass sich Galaxien und Schwarze Löcher gemeinsam entwickeln“, erläutert der ebenfalls an der Studie beteiligte George Djorgovski. Der Einfluss der Materiestrahlen reiche dabei offenbar viel weiter als bislang angenommen, so sein Fazit.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2024/materiejets-laengste-plasmastrahlen-aus-schwarzem-loch/