Ein junger Ozean auf Mimas
Rainer Kayser und Redaktion
Etwa 20 bis 30 Kilometer unter der eisigen Oberfläche des kleinen Saturnmonds Mimas befindet sich ein globaler Ozean aus flüssigem Wasser. Zu diesem überraschenden Ergebnis ist jetzt ein internationales Forschungsteam nach der Analyse alter Daten der US-amerikanischen Raumsonde Cassini gekommen. Bislang gingen Forschende nämlich davon aus, dass das Innere des Himmelskörpers durchgehend fest ist. Ebenfalls überraschend ist das astronomisch junge Alter des Ozeans: Vor höchstens 25 Millionen Jahren sei er entstanden, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.
„Monde mit einem großen Ozean unter einer dicken Eisschicht sind recht häufige Objekte im Sonnensystem“, erläutern Valery Lainey von der Universität Sorbonne in Frankreich und sein Team. Diese Ozeane verraten sich durch Strukturen an der Oberfläche, die durch Brüche und Risse im Eispanzer entstehen. Typische Beispiele dafür sind der Jupitermond Europa und der Saturnmond Enceladus. Der knapp 400 Kilometer große Saturnmond Mimas zeigt dagegen nichts dergleichen: Seine Oberfläche ist übersät mit vielen alten Einschlagkratern. Damit sei Mimas „einer der unwahrscheinlichsten Orte im Sonnensystem, um nach einem Ozean zu suchen“, so Lainey.
Doch Messungen der Raumsonde Cassini – die von 2004 bis 2017 den Planeten Saturn umkreiste und dabei auch seine Ringe und Monde erforschte – zeigten bereits, dass Mimas bei seiner Rotation ein wenig hin und her schwankt. Dieses Libration genannte Phänomen könnte zwar auf einen „schwappenden“ Ozean im Inneren des Mondes hinweisen. Da sich jedoch auf der Oberfläche keine Anzeichen dafür finden ließen, bevorzugten Astronominnen und Astronomen bislang eine andere Erklärung für die Libration. Sie gingen davon aus, dass der harte Kern des Mondes leicht deformiert ist, also durch die Anziehungskraft von Saturn in die Länge gezogen wurde und dadurch das Schwanken verursacht.
Bewegung des Saturnmonds nur durch Ozean erklärbar
Ein derart deformierter Kern sollte aber auch die elliptische Bahn des Mondes um den Saturn beeinflussen – die Bahnellipse müsste eigentlich eine leichte Drehung zeigen, Präzession genannt. Und nach diesem Effekt suchten Lainey und sein Team nun in den Daten von Cassini. Doch dabei stießen die Forschenden auf eine große Überraschung: Denn wenn man davon ausgeht, dass es sich bei Mimas um einen durchgehend festen, gefrorenen Himmelskörper handelt, lassen sich die Messungen für die Libration und die Präzession des Mondes nicht miteinander in Einklang bringen. Die einzige Erklärung, die mit den Daten der Sonde verträglich ist, bietet die Annahme eines globalen flüssigen Ozeans unter der gefrorenen Oberfläche von Mimas. Etwa 70 bis 80 Kilometer tief ist der Ozean, so die Berechnungen der Forscher. Das bedeutet, dass etwa die Hälfte des Volumens von Mimas aus flüssigem Wasser besteht.
Warum aber zeigen sich auf der Oberfläche des Mondes keine Anzeichen für den Ozean? Auch auf diese Frage lieferte die Umlaufbahn des Saturnmondes eine wiederum überraschende Antwort. Denn ein so großer Ozean führe dazu, dass eine elliptische Umlaufbahn in astronomisch gesehen kurzer Zeit kreisförmig werde. Wie die Analysen der Umlaufbahn zeigten, kann der Ozean daher maximal 25 Millionen Jahre alt sein. Und dieser Zeitraum reicht zudem nicht aus, um Spuren an der Oberfläche zu hinterlassen. Die Entdeckung von Lainey und seinem Team dürfte den Blick von Astronominnen und Astronomen auf die vielen kleinen Eismonde der großen Planeten unseres Sonnensystems verändern. Denn möglicherweise verbergen sich unter den Oberflächen einiger dieser unscheinbaren Himmelskörper noch weitere große Ozeane.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2024/saturnmonde-ein-junger-ozean-auf-mimas/