Ungewöhnliche Sternentstehung
Anne-Dorette Ziems
Fernab der Milchstraße befindet sich eine außergewöhnliche Zwerggalaxie. Sie umfasst einige hunderttausend Sterne und trägt den Namen Leo P. Das Besondere an ihr: Sie ist isoliert, also weit genug weg, um von der Milchstraße und anderen Galaxien wie der Andromeda-Galaxie nicht beeinflusst zu sein. Eine Untersuchung der Sterne in Leo P mit dem James-Webb-Teleskop zeigt nun, wie sich ihre Geschichte in drei Phasen abgespielt hat. Das berichtet eine Forschungsgruppe im Fachmagazin „The Astrophysical Journal“.
Leo P ist 5,3 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und damit zwar kein direkter Begleiter der Milchstraße – wie etwa die Große Magellansche Wolke. Dennoch ist sie uns nahe genug, dass sich einzelne Sterne in ihr analysieren lassen. Das brachte Kristen McQuinn von der Rutgers University und ihr Team dazu, die Entstehungsgeschichte der Sterne in Leo P zu erforschen. Dazu werteten sie Aufnahmen von Leo P mit der sogenannten NIRCam des James-Webb-Weltraumteleskops aus. Anhand der Farben und Helligkeiten von rund 15 000 Sternen in Leo P modellierten die Forschenden die Entstehung der Sterne mit einer speziellen Software.
Eine bis heute andauernde Sternentstehungsgeschichte
Dabei machten McQuinn und ihr Team eine erstaunliche Entdeckung: In der Entwicklung von Leo P gab es drei Phasen. Die erste, frühe Phase der Sternentstehung dauerte bis vor 12,6 Milliarden Jahre an. In dieser Zeit ist auch die Epoche der Reionisierung zu verorten – eine Zeit, in der die Strahlung der Sterne das All erwärmte und das kosmische Gas ionisierte. Besonders bemerkenswert ist für die Forschenden: Auf die erste Phase folgte eine Pause, in der sich für 2,5 Milliarden Jahre keine Sterne mehr in Leo P bildeten, woraufhin die Sternentstehung wieder startete. Diese letzte Phase dauert bis heute an.
Laut McQuinn gibt es bisher lediglich drei andere bekannte Galaxien mit einer vergleichbaren Geschichte – allesamt isoliert von der Milchstraße. Im Gegensatz dazu blieb in anderen, nicht isolierten Zwerggalaxien mit wenig Masse in unserer Umgebung die dritte Phase der erneuten Sternentstehung aus.
Erklärungen, wie es zu der erneuten Sternentstehung in Leo P gekommen sein könnte, gibt es mehrere. Möglicherweise befand sich Leo P in seiner Geschichte einmal in der Nähe zu anderen Galaxien in unserer Umgebung oder zu Gas mit geringer Dichte. Das könnte Reaktionen ausgelöst haben, die Sterne entstehen lassen. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass die Zwerggalaxie mit einer weiteren Galaxie verschmolzen ist und die daraus resultierenden gravitativen Veränderungen die Sternentstehung wieder angeregt hat.
Ob die Sternentstehung in drei Phasen ein typisches Muster für Galaxien wie Leo P sind, ist mit dieser Studie zwar noch nicht geklärt, denn solch kleine und isolierte Galaxien, die uns zugleich nah genug sind, um ihre Sternentstehung zu analysieren, gibt es wenige. Doch dank moderner Teleskope wie dem James-Webb-Teleskop lassen sich immer entferntere solcher Galaxien untersuchen. Deshalb erhoffen sich Astronominnen und Astronomen künftig noch weitere Erkenntnisse über die Sternentstehung in isolierten Zwerggalaxien.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2025/james-webb-teleskop-ungewoehnliche-sternentstehung/