Kamo’oalewa – ein Stück vom Mond?

Ein kleiner Felsbrocken im All namens Kamo’oalewa könnte bei einem Asteroideneinschlag aus dem Erdtrabanten herausgeschleudert worden sein.

Rainer Kayser

Kleiner Felsbrocken, dahinter Mond und Erde

Addy Graham/University of Arizona

Bei einem gerade einmal 45 bis 60 Meter großen Himmelskörper, der sich ständig in der Nähe der Erde aufhält, könnte es sich um ein Trümmerstück des Mondes handeln – ins All herausgeschleudert bei einem Asteroideneinschlag. Zu diesem Schluss kommt ein Forscherteam, das den Himmelskörper über mehrere Jahre hinweg beobachtet hat. Insbesondere die Farbe des Objekts zeige keinerlei Ähnlichkeit mit Asteroiden, dafür aber mit von Apollo-Astronauten zur Erde gebrachtem Mondgestein, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Communications Earth & Environment“.

Seit dem Jahr 2004 wurden insgesamt fünf kleine Himmelskörper entdeckt, die sich ständig in der Nähe der Erde aufhalten, aber eigenständig um die Sonne kreisen. Da sie sich auf ihrem Weg um die Sonne dauerhaft in der Nähe der Erde befinden, bezeichnen Astronomen diese Himmelskörper als Quasisatelliten der Erde. Bislang ist jedoch wenig über diese Himmelskörper bekannt, da sie extrem schwierig zu beobachten sind.

Einer dieser Quasisatelliten wurde im Jahr 2016 entdeckt. Der kleine Himmelskörper mit Namen Kamo’oalewa, was hawaiianisch ist und so viel heißt wie „allein reisender Nachkomme“, nähert sich der Erde nur bis auf rund 14,5 Millionen Kilometer – er kommt uns damit zwar nicht so nah wie der Mond, aber immer noch deutlich näher als unsere Nachbarplaneten Venus und Mars. Mit dem Large Binocular Telescope auf Hawaii nahmen Benjamin Sharkey vom Lunar and Planetary Laboratory in Tucson in Arizona und seine Kollegen das felsige Objekt über mehrere Jahre hinweg genauer unter die Lupe – ein schwieriges Unterfangen, da der Himmelskörper aufgrund seiner Umlaufbahn nur jeweils im April für kurze Zeit beobachtbar ist.

Zu ihrer Überraschung stellten die Wissenschaftler fest, dass das Spektrum des Lichts, das Kamo’oalewa reflektiert, nicht mit dem anderer bekannter Asteroiden auf erdnahen Umlaufbahnen vergleichbar ist. Es deute stattdessen auf ein Material hin, das dem in Gesteinsproben vom Mond gleicht. Dass der kleine Felsbrocken ursprünglich aus dem Erde-Mond-System stammt, lasse auch die Umlaufbahn von Kamo’oalewa um die Sonne vermuten. „Der Orbit ist untypisch für erdnahe Asteroiden“, erklärt Sharkeys Kollegin Renu Malhotra, „und es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein normaler erdnaher Asteroid auf eine solche Umlaufbahn gelangt.“ Außerdem bewege sich Kamo’oalewa in Erdnähe nur mit zwei bis fünf Kilometern pro Sekunde – normale Asteroiden auf erdnahen Bahnen ziehen hingegen mit etwa 20 Kilometern pro Sekunde an unserem Planeten vorbei.

Als wahrscheinlichste Erklärung sehen die Forscher daher an, dass es sich bei Kamo’oalewa – und vielleicht auch bei den anderen Quasisatelliten – um Trümmer handelt, die beim Einschlag eines Asteroiden auf dem Mond herausgeschleudert worden sind. Wann der Einschlag stattgefunden hat, der zur Entstehung von Kamo’oalewa geführt hat, können die Forscher allerdings nicht sagen – sie vermuten lediglich, dass sich das Objekt über viele Millionen von Jahren, aber nicht über mehrere Milliarden Jahre stabil in Erdnähe aufhalten könnte.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2021/kamooalewa-ein-stueck-vom-mond/