„Jetzt können wir endlich viele offene Fragen angehen“
Dirk Eidemüller
Mit dem Event Horizon Telescope – einem Zusammenschluss von acht Radioteleskopen – haben Forscher erstmals ein <link gebiet universum news erstes-foto-eines-schwarzen-lochs> Bild von einem Schwarzen Loch aufgenommen. Das abgebildete Schwarze Loch liegt im Zentrum der rund 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernten Galaxie Messier 87 und ist mit 6,5 Milliarden Sonnenmassen mehr als tausendfach schwerer als das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße. Welt der Physik sprach mit Sera Markoff von der Universität Amsterdam über die wissenschaftliche Bedeutung der Aufnahme.
Welt der Physik: Das erste Bild eines Schwarzen Lochs ist weltweit durch die Medien gegangen. Waren Sie selbst ein bisschen überrascht von diesem medialen Echo?
Sera Markoff: Ja, sehr sogar! Ich denke, niemand von uns hat vorausgesehen, wie populär unser Resultat in der breiten Öffentlichkeit sein würde – verglichen mit der nobelpreisgekrönten Entdeckung der Gravitationswellen im Jahr 2015 oder dem ersten Nachweis von verschmelzenden Neutronensternen im Jahr 2017. Das zeigt die Macht der Bilder, denn etwas zu sehen, heißt etwas zu glauben für die meisten Menschen.
Was genau sieht man denn auf dem Bild?
Wir sehen eine bestimmte Form von Strahlung, die das heiße Plasma abgibt, das mit enormer Geschwindigkeit um das Schwarze Loch rotiert und sich dabei immer weiter aufheizt. Die starken Magnetfelder in diesem Plasma regen die Elektronen dazu an, elektromagnetische Strahlung auszusenden. Die Teilchen und mit ihnen die Strahlung bewegen sich nur knapp über dem Ereignishorizont – die Grenzfläche, ab der keine Materie und auch kein Licht mehr entkommen können. Diese elektromagnetische Strahlung können wir auf der Erde mit Radioteleskopen auffangen.
Schon seit Jahren versuchen Forscher, den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs zu beobachten. Warum hat es erst jetzt geklappt?
Erst jetzt waren die technologischen Voraussetzungen gegeben, um diesen alten Traum zu erfüllen. Für die Existenz von Schwarzen Löchern gab es schon vor gut einem halben Jahrhundert erste Belege. Auch die von uns genutzte Methode der sogenannten Radiointerferometrie ist ähnlich lange bekannt. Und seit gut zehn Jahren hat sich abgezeichnet, dass ein solches Bild möglich werden könnte. Doch die Zusammenschaltung von so vielen weit auseinanderliegenden Radioteleskopen benötigt einiges an Rechenpower, wie sie nur moderne Supercomputer liefern können. Außerdem mussten wir die atmosphärischen Turbulenzen aller Teleskopdaten korrigieren und die Signale unserer Teleskope mithilfe von Atomuhren synchronisieren, die auf eine Nanosekunde – eine Milliardstel Sekunde – genau gingen.
Warum mussten Sie die Radioteleskope überhaupt zusammenschalten?
Schwarze Löcher sind für ihre Masse extrem kompakte Gebilde. Die Auflösung normaler Teleskope ist dafür viel zu gering. Wir haben deshalb mehrere Teleskopsysteme rund um den Planeten zu einem „virtuellen Radioteleskop“ von der Größe der Erde zusammengeschaltet. Dank der daraus resultierenden Schärfe des Event Horizon Telescope sehen wir in diesem Bild einen Bereich, der nur etwas kleiner ist als unser Sonnensystem. Dabei ist die Galaxie, deren Zentrum wir auf dem Bild sehen, rund 55 Millionen Lichtjahre entfernt.
Lassen sich bereits wissenschaftliche Fragen mit dem Bild beantworten?
Zunächst einmal ist diese Aufnahme ein Beweis für die Existenz von Schwarzen Löchern. Es gab zwar vorher schon viele indirekte Beweise für diese exotischen Objekte, aber mit diesem Bild sehen wir erstmals ein Schwarzes Loch und können seine Umgebung in bislang unerreichter Detailschärfe untersuchen. Jetzt können wir endlich viele offene Fragen zu Schwarzen Löchern angehen. Besonders interessieren wir uns für die gigantischen Jets, die stark gebündelte, magnetisierte Materie mit annähernd Lichtgeschwindigkeit von den Polen des Lochs aus ins All schießen. Diese Prozesse sind bislang kaum verstanden, spielen aber eine wichtige Rolle bei der Entwicklung ganzer Galaxien.
Wie lässt sich das mithilfe solcher Bilder untersuchen?
Bislang hat sich die ganze Arbeit unseres Teams auf die Aufgabe konzentriert, dieses Bild zu machen. Jetzt, da wir die Technik beherrschen, wollen wir den Radiowellen weitere Informationen entlocken – etwa über die magnetische Struktur im Plasma rund um das Schwarze Loch. Denn das ist vermutlich die Ursprungsregion der gigantischen Jets. Bislang war es nicht möglich, solche Regionen in der nun erzielten Auflösung zu beobachten. Wir wollen unsere Messungen nun bei etwas höheren Wellenlängen wiederholen. Mit solchen Bildern sowie mit in Zukunft folgenden Magnetfeldmessungen wollen wir diese spannenden Probleme dann angehen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/schwarze-loecher/jetzt-koennen-wir-endlich-viele-offene-fragen-angehen/