„Es warten noch unzählige Quellen auf uns“
Dirk Eidemüller
Seit dem Jahr 2019 durchmustert das Weltraumteleskop eROSITA den gesamten Himmel auf der Suche nach Quellen von Röntgenstrahlung. Die erste Datensammlung vom Beginn der Mission wurde nun öffentlich zugänglich gemacht – mit dem Ziel, dass Forscher aus aller Welt eigenständig mit diesen Daten arbeiten können. Im Interview mit Welt der Physik erzählt Miriam Ramos-Ceja vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik von diesem Projekt und den ersten Funden in den Daten.
Welt der Physik: Welche Daten haben Sie nun mit dem „Early Data Release“ veröffentlicht?
Miriam Ramos-Ceja: Wir haben die Daten aus der Anfangsphase der Mission öffentlich zugänglich gemacht, also als der Standardbetrieb noch nicht gestartet war. Die Hauptmission von eROSITA besteht jetzt darin, den gesamten Himmel mehrfach komplett zu durchmustern. Das dauert jeweils rund ein halbes Jahr. In den ersten drei Monaten, von September bis Dezember 2019, waren wir allerdings noch mit anderen Dingen beschäftigt: Zunächst musste das Teleskop ausgasen und danach mussten wir es kalibrieren.
Was genau passiert in den ersten Monaten einer solchen Mission?
Wenn ein Teleskop von der Erde ins All gebracht wird, haften noch viele Luftmoleküle an ihm, die Beobachtungen stören können. Im luftleeren Raum entschwinden diese dann Stück für Stück. Diese Phase dauert gut zwei Monate. Wir konnten zu dieser Zeit aber schon erste Untersuchungen machen. Dann galt es, die Röntgenkameras zu kalibrieren. Dazu haben wir eine ganze Reihe unterschiedlicher Himmelsobjekte beobachtet, die bereits von anderen Röntgenteleskopen eingehend untersucht worden sind. Durch den Vergleich der verschiedenen Teleskope lässt sich die Leistungsfähigkeit der Instrumente unter den extremen Bedingungen im Weltraum besser verstehen.
Welche Ziele verfolgen sie nun mit dem Early Data Release?
Als Betreiber nutzen wir die Daten von eROSITA als Erste. Aber wir wollen sie dennoch weltweit allen Astronomen zugänglich machen. Denn einerseits sind in diesem riesigen Datensatz bestimmt viele Dinge enthalten, die uns trotz scharfer Analyse entgehen. Und andererseits erhalten damit auch Wissenschaftler aus weniger reichen Ländern Zugang zu unseren Forschungsdaten. Damit sie hiermit auch effektiv wissenschaftlich arbeiten können, stellen wir ihnen nicht nur die gut dokumentierten Beobachtungsdaten, sondern auch unsere Analysesoftware zur Verfügung. Jeder kann diese Software nutzen oder zu seinen Zwecken modifizieren. Dazu braucht es keine Supercomputer, sondern meistens reicht schon ein ganz normaler Laptop. Wir sind gespannt, was andere Forscher mit unseren Daten herausfinden werden.
Gibt es denn bereits besonders interessante Einzelbeobachtungen in diesen Daten?
Wir haben einen sehr weit entfernten Quasar – also einen aktiven Galaxienkern – aus der Frühzeit des Universums gefunden und 19 bislang unbekannte Supergalaxienhaufen. Diese Quellen werden sicher bald mit anderen Teleskopen untersucht werden, die auf die Beobachtung von Einzelquellen ausgelegt sind und nicht für eine Himmelsdurchmusterung wie eROSITA. Am spannendsten finde ich persönlich aber die Miniaturvermessung „eFEDS" – das steht für „eROSITA Final Equatorial Depth Survey“. Für vier Tage haben wir einen kleinen Bereich, der nur drei Hundertstel des gesamten Himmels ausmacht, eingehend beobachtet. Dieser Bereich ist jetzt so gut kartiert, wie wir schließlich in ein paar Jahren den gesamten Himmel kartiert haben werden. Das ist ein schöner Vorgeschmack darauf, was wir am Ende der Hauptmission sehen werden.
Wie viele Röntgenquellen konnten sie bislang identifizieren?
Allein mit eFEDS haben wir bereits 30 000 Quellen gesehen. Wenn man das hochrechnet auf den gesamten Himmel, dann heißt das, dass eROSITA bis zum Ende der Hauptmission mehrere Millionen Quellen liefern dürfte. Die mehrfache Durchmusterung des gesamten Himmels soll 2023 abgeschlossen sein. Und allein in der ersten vollständigen Durchmusterung haben wir schon rund eine Million Quellen gefunden – auch das ist ein Rekord. Und dank eFEDS wissen wir: Es warten noch unzählige Quellen darauf, mit eROSITA entdeckt zu werden.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/teleskope-und-satelliten/es-warten-noch-unzaehlige-quellen-auf-uns/