„Ganz anders als bisherige Missionen“

Jan Hattenbach

Die künstlerische Illustration zeigt vier Sterne, um die jeweils Planeten kreisen.

ESA/C. Carreau

Die europäische Raumfahrtagentur ESA entwickelt derzeit ein neues Weltraumobservatorium, das mit 26 Teleskopen den Himmel nach Exoplaneten absuchen soll. Ende 2026 soll PLATO – kurz für „Planetary Transits and Oscillations of stars“ – mit einer Rakete zu einem 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Punkt gebracht werden und dort mindestens vier Jahre lang nach fernen Planeten suchen. Auch PLATO wird dafür, wie viele andere Weltraumteleskope, die Transitmethode nutzen: Zieht ein Planet aus Sicht der Erde periodisch vor seinem Stern vorbei, entdeckt ihn der Satellit durch die winzige Verringerung des Sternlichts, die dieser Transit verursacht. Im Interview mit Welt der Physik erzählt René Heller, wie Forschende mit PLATO nach einer zweiten Erde suchen wollen und was er sich noch von der Mission verspricht.

Welt der Physik: PLATO soll vor allem nach erdähnlichen Planeten suchen, die sonnenähnliche Sterne in einem ähnlichen Abstand umkreisen, wie die Erde unsere Sonne. Wie kommt es, dass unter den über 5500 schon bekannten Exoplaneten eine „zweite Erde“ immer noch fehlt?

Porträt des Wissenschaftlers René Heller

René Heller

René Heller: Das liegt erstens daran, dass große Planeten einfacher zu finden sind als erdähnliche. Die meisten entdeckten Exoplaneten sind daher mindestens so groß wie Neptun, gerne auch größer als Jupiter, also mindestens zehnmal so groß wie die Erde. Zweitens finden wir mit der Transitmethode viel schneller Planeten, die einen sehr engen Orbit um ihren Stern haben. Ein Erdenjahr dauert ja 365 Tage, um zwei Transits der Erde zu analysieren, müsste man also mindestens zwei Jahre warten. Die „Jahre“ von eng kreisenden Planeten dauern hingegen nur wenige Tage oder Wochen, höchstens Monate und lassen sich damit einfacher beobachten.

Sollte nicht schon das 2009 gestartete und mittlerweile außer Dienst gestellte Weltraumteleskop Kepler der NASA erdähnliche Planeten finden?

Die Kepler-Mission hatte tatsächlich ein ähnliches Ziel wie PLATO, nämlich erdähnliche Planeten um sonnenähnliche Sterne zu finden. Dieses Ziel hat Kepler, das muss man heute attestieren, nicht erreicht. In den frühen 2000er-Jahren, als man Kepler entwickelt hat, wurde die Aktivität von Sternen falsch eingeschätzt. Denn die meisten Sterne verändern ihre Helligkeit auch ohne Planetentransits. Man ist von der Sonne als Beispiel ausgegangen, doch die Sonne ist in diesem Sinne kein typischer Stern, sondern tendenziell eher ruhig. Die tatsächliche Sternaktivität brachte dann eine Rauschkomponente in die Daten, die man nicht erwartet hatte.

Wie soll dieses Problem nun mit PLATO gelöst werden?

Um diese Hürde zu nehmen, wird PLATO deutlich hellere Sterne anschauen als Kepler. Das führt zwar nicht dazu, dass man das Sternrauschen los wird, aber hilft dabei, die stellare Aktivität besser modellieren und verstehen zu können. Zweitens kann man hellere Sterne auch vom Boden aus nachträglich beobachten, etwa mit dem Very Large Telescope in Chile. Mit solchen Teleskopen lässt sich dann zusätzlich die stellare Radialgeschwindigkeitskomponente analysieren, die von möglichen Transitkandidaten verursacht wird. In solch einem Fall kennen wir dann nicht nur die Bewegung des Planeten während des Transits, sondern auch die Bewegung des Sterns über den gesamten Orbit hinweg. Diese Kombination liefert uns sowohl die Größe des Planeten als auch seine Masse – und damit in Kombination seine mittlere Dichte. Das konnte man mit Kepler nur in Ausnahmefällen machen.

Was unterscheidet PLATO noch von vergangenen Missionen?

Das Bild zeigt ein raumgroßes Modul, in das 26 runde Objekte integriert sind.

PLATO's Kameras

Technologisch gesehen ist PLATO ganz anders als alle bisherigen Missionen für die Exoplanetensuche! Vor allem verwenden wir nicht nur ein Teleskop mit einer Kamera, sondern von beidem nicht weniger als 26. Dabei schauen die Teleskope in leicht verschiedene Richtungen, wobei sich ihre Gesichtsfelder teilweise überlappen. Das Gesamtgesichtsfeld besteht damit aus vielen sich überschneidenden Kreisen. Man wird also von vielen Sternen nicht nur eine, sondern gleichzeitig mehrere Lichtkurven messen. Damit lassen sich zum Beispiel Störungen durch kosmische Strahlung, die immer nur eines der Teleskope zur gleichen Zeit betreffen, ganz leicht herausfiltern und so die Datenqualität erheblich verbessern. Im nächsten Schritt werden wir diese ganzen Lichtkurven zu einer Master-Lichtkurve mit einem nochmals besseren Signal-zu-Rausch-Verhältnis vereinigen. Gleichzeitig ist das Gesichtsfeld aller Kameras zusammen riesig. All das „poliert“ unsere Datenqualität enorm, sodass wir trotz der Sternaktivität in der Lage sein werden, Transits von Planeten zu entdecken, die etwa die Größe der Erde haben.

Die Entdeckung einer Zwillingserde wäre sicher eine der bedeutendsten Entdeckungen mit PLATO. Auf was hoffen Sie persönlich noch?

Vielleicht wird es mit PLATO zum ersten Mal möglich sein, Exomonde zu finden. Mit Kepler hat man es schon probiert, aber es hat nicht funktioniert. Es gibt zwar zwei Kandidaten, aber selbst wenn sie echt sind, wären sie so groß wie Neptun und damit eher Doppelplaneten als Monde. Aber es muss Exomonde geben – im Sonnensystem gibt es mehr als zwanzigmal mehr bekannte Monde als Planeten. Doch da die bisher entdeckten Exoplaneten wie gesagt ihrem Stern oftmals sehr nah sind, können sie wahrscheinlich keine Monde in dauerhaft stabilen Orbits behalten. Je weiter ein Planet von seinem Stern entfernt kreist, desto stabiler können Monde um den Planeten kreisen. Sind dann die Sterne von der Erde aus gesehen auch noch hell, lässt sich das nochmals kleinere Transitsignal eines Monds theoretisch leichter entdecken.

Werden Sie ein bestimmtes Himmelsfeld durchmustern?

Während der ersten vier Jahre der Mission wird PLATO zwei Himmelsareale betrachten, zuerst auf der südlichen, dann auf der nördlichen Hemisphäre. Vermutlich werden die Areale ungefähr zwei Jahre beobachtet, um mehrere Transits erdähnlicher Planeten beobachten zu können. Nach Ende dieser vier Jahre wird es noch eine sogenannte „Step-and-Stare-Phase“ geben, in der PLATO alle zwei Monate neu ausgerichtet wird, um so einen Großteil des Himmels abzutasten. In dieser Phase werden wir sicher zwar noch ein paar tausend Planeten finden, doch diese werden wegen der kurzen Beobachtungsdauer allesamt nicht weit von ihrem Stern entfernt sein.

Was sind die „Sternoszillationen“, die im Akronym von PLATO auftauchen und was möchten Sie darüber herausfinden?

Die Illustration zeigt in der Mitte einen großen Stern. Am rechten unteren Rand des Sterns ist ein erdähnlicher Planer abgebildet.

Asteroseismologie

Der Wissenschaftszweig, der sich mit Sternoszillationen beschäftigt, wird Asteroseismologie genannt. Für viele tausende oder zehntausende der beobachteten Sterne werden wir aus dem zeitlichen Verlauf ihrer Helligkeit, charakteristische Schwingungen herauslesen können, die uns Rückschlüsse auf die innere Struktur der Sterne ermöglichen. Aus diesen Messungen kann man wiederum auf das Alter der Sterne schließen. Indem man sich tausende Sterne des gleichen Typs, aber unterschiedlichen Alters anschaut, kann man praktisch verfolgen, wie die Sterne älter werden und so ihre Evolution nachvollziehen.

Was machen Sie gerade persönlich konkret an PLATO?

Das hat sich bei mir im letzten Jahr sehr stark geändert. Zu Beginn war ich vor allem Softwareentwickler. Mittlerweile bin ich zum einen dafür mitverantwortlich, einen Sternkatalog zu erstellen, den sogenannten „PLATO Input Catalogue“. Dieser wird eine Liste von circa einer Million Zielsterne für das erste, südliche Himmelsfeld enthalten. Zusätzlich dazu wird es eine Liste von ungefähr 100 Millionen möglicher „contaminants“ geben. Das sind Sterne, Galaxien, aktive Galaxienkerne und so weiter, die unsere Zielsterne mit kleinen Lichtbeiträgen kontaminieren könnten. Zum anderen bin ich auch hauptverantwortlich für die sogenannten „Data Analysis Support Tools“, kurz DAST, eine Art Webinterface für PLATO-Mitglieder. Über den DAST werden sie auf die aktuellen, von PLATO zur Erde übermittelten Daten zugreifen können.

Wissen Sie, welche Datenmengen PLATO dann liefern wird?

PLATO wird circa 500 Gigabyte pro Tag zur Erde schicken. Nach sechs Jahren kommen wir auf einen Petabyte. Allerdings sind das nur die Rohdaten. Nach der Aufbereitung der Datenprodukte und dem Erstellen von Backups kommen wir wohl auf einige Dutzend Petabyte.

Was motiviert Sie persönlich für Ihre Arbeit?

Seit ich ein Kind war, hat mich schon immer interessiert, ob es Leben auf anderen Planeten gibt. Und ich hätte es mir nicht träumen können, dass ich es einmal zu meinem Beruf machen werde, selbst danach zu suchen. Jetzt ist es soweit.


Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/teleskope-und-satelliten/exoplaneten-plato-esa-ganz-anders-als-bisherige-missionen/