„Optimismus ist die Grundvoraussetzung“
Jan Hattenbach
Vor fast dreißig Jahren entdeckten die zwei Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz zum ersten Mal einen Planeten in einem fernen Sonnensystem. Seither hat sich die Forschung rund um Exoplaneten sehr schnell weiterentwickelt. Der Fokus der letzten zwanzig Jahre lag zunächst auf der Suche nach extrasolaren Planeten und ihren grundlegenden Eigenschaften, wie etwa ihrer Masse und ihrer Umlaufzeit. Mittlerweile versuchen Astronominnen und Astronomen mit neuen Teleskopen noch mehr über die Planeten zu erfahren: Unter anderem wollen sie herausfinden, welche Exoplaneten eine Atmosphäre haben, woraus diese bestehen und ob es dort Voraussetzungen für außerirdisches Leben gibt. Im Interview mit Welt der Physik berichtet Laura Kreidberg vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, welche Rolle das James-Webb-Weltraumteleskop, kurz JWST, dabei spielt und welche Erkenntnisse sie sich für die Zukunft erhofft.
Welt der Physik: Sie sind eine der Glücklichen, die am neuen James-Webb-Teleskop arbeiten darf. Wie ist die Arbeit mit dem modernsten Weltraumteleskop?
Laura Kreidberg: Fantastisch! Abgesehen von ein paar kleinen technischen Problemen übertrifft die Leistung des Teleskops unsere kühnsten Träume. Die Datenqualität ist hervorragend, die Ergebnisse werden immer zahlreicher. Fast jede Woche gibt es ein spektakuläres neues Ergebnis, das einen Paradigmenwechsel gegenüber unserem bisherigen Verständnis darstellt. Wir erleben wirklich eine außergewöhnliche Zeit!
Ihr Forschungsgebiet sind die Atmosphären von Exoplaneten. Wie lässt sich mit dem JWST die Lufthülle eines Lichtjahre entfernten Planeten untersuchen?
Auch mit dem JWST können wir den Planeten und den Stern nicht voneinander trennen. Wir sehen nur ihr gemeinsames Licht. Wenn ein Planet jedoch Transits durchführt – also periodisch hinter und vor seinem Stern vorbeizieht – wird das Licht des Planeten zu bestimmten Zeiten blockiert. Durch Messung dieser winzigen Helligkeitsveränderungen können wir herausfinden, wie hell der Planet ist und welche Temperatur seine Oberfläche hat. Die Temperatur verrät uns dann, ob eine Atmosphäre vorhanden ist. Denn ohne eine Atmosphäre erhitzt das gesamte Licht, das der Planet empfängt, ausschließlich seine Tagseite. Eine dichte Atmosphäre transportiert hingegen Wärme von der Tagseite zur Nachtseite. Eine kühlere Tagseite zeigt daher das Vorhandensein einer Atmosphäre an.
Eines Ihrer Ziele ist, Trappist-1 zu untersuchen, ein Planetensystem mit sieben Planeten, die einen 40 Lichtjahre entfernten Stern umkreisen. Was haben Sie schon über Trappist-1 herausgefunden?
Wir werden alle sieben Planeten dieses Systems mit dem JWST beobachten, für einige liegen auch schon Daten vor. Bei Trappist-1b, dem innersten Planeten, bin ich mir ziemlich sicher, dass er keine Atmosphäre hat. Er ist der heißeste Planet, und hat es daher besonders schwer, eine Atmosphäre festzuhalten. Trappist-1c ist wirklich interessant, denn er hat fast die gleiche Größe und Temperatur wie die Venus. Daher war unsere erste Vermutung, dass er vielleicht – genau wie die Venus – eine dicke, von Kohlenstoffdioxid dominierte Atmosphäre hat. Aber unsere Beobachtungen zeigten, dass dies nicht der Fall ist. Eine venusähnliche Atmosphäre können wir ausschließen. Und über die äußeren Planeten wissen wir noch nichts.
Was passiert, wenn Sie eine Atmosphäre bei einem Exoplaneten gefunden haben?
Dann wollen wir mithilfe von Spektren herausfinden, woraus die Atmosphäre besteht. In den Spektren werden wir auch nach Biosignaturen suchen und dabei vielleicht sogar Beweise für Leben finden. Es gibt dabei viele verschiedene Ideen, was eine Biosignatur sein könnte: Das klassische Beispiel wäre eine Atmosphäre aus Sauerstoff und Methan wie auf der Erde. Aber es gibt noch viele andere Kombinationen von Molekülen, die auf Leben hinweisen könnten. Wenn wir mit dem JWST wahnsinniges Glück haben, wenn ein passender Planet für unsere Beobachtungen zugänglich ist, wenn er genau die richtige Biosignatur aufweist, könnten wir eine solche Signatur vielleicht entdecken – aber das sind viele „Wenns“!
Sie klingen nicht übermäßig optimistisch.
Wir alle wollen das schaffen – Optimismus ist dafür eine wichtige Grundvoraussetzung. Aber die Frage nach Leben auf anderen Planeten ist keine Frage für die nächsten fünf Jahre. Es ist eine Frage für die fernere Zukunft. Deswegen wird die Suche nach Biosignaturen das Hauptziel des „Habitable Worlds Observatory“, einer von der NASA vorgeschlagenen Weltraummission der nächsten Generation, sein. Und auch die ESA entwickelt derzeit ein komplementäres Missionskonzept, die LIFE-Mission. Mit dem JWST wird die Suche nach Biomarkern meiner Meinung nach überbewertet.
Wofür ist das JWST aus Ihrer Sicht vor allem gut geeignet?
Ich denke, der große Beitrag des JWST wird darin bestehen, zu zeigen, welche Planeten überhaupt eine Atmosphäre haben. Das ist vor allem für Gesteinsplaneten interessant, die eine feste Oberfläche wie die Erde haben. Und wenn wir bei einem solchen Planeten eine Atmosphäre finden, wird das JWST uns Hinweise auf die grundlegenden chemischen Bestandteile geben. Die nächste Detailstufe – also die Suche nach Biosignaturen – ist dann eine Aufgabe für die zukünftigen Observatorien.
Ihr zweites Ziel ist es, den Exoplanet LHS 3844 b mit dem JWST zu untersuchen. Was interessiert Sie an diesem Planeten?
Uns interessiert vor allem die Oberfläche des Planeten. Wenn wir herausfinden, welche Art von Gestein sich dort befindet, gibt uns das Aufschluss über die geologische Geschichte des Planeten. Gab es dort vielleicht vulkanische Aktivität, war die Oberfläche einst mit Lava bedeckt? Gab es jemals flüssiges Wasser? Wie alt ist die Oberfläche überhaupt? Wir haben schon die ersten Daten, aber die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen.
Inwiefern hängt die geologische Geschichte des Planeten mit seiner Bewohnbarkeit zusammen?
Man geht zum Beispiel davon aus, dass die Aktivität der tektonischen Platten auf der Erde für die Klimaregulierung von zentraler Bedeutung ist. Indem wir LHS 3844 b untersuchen, wollen wir prüfen, ob Exoplaneten ähnliche innere Strukturen wie die Erde aufweisen können. Allerdings liegt die Gleichgewichtstemperatur dieses speziellen Planeten bei 800 Grad Celsius – er ist damit viel zu heiß für Leben. Doch auch wenn er unbewohnbar ist, kann er uns viel über die Entwicklung und den inneren Aufbau von Gesteinsplaneten zeigen.
Das klingt, als stünden Sie gerade erst am Anfang einer spannenden wissenschaftlichen Reise. Empfinden Sie die Arbeit auch mal als herausfordernd oder sogar eintönig?
Ich würde meine wissenschaftliche Arbeit nicht unbedingt als eintönig bezeichnen, aber sie ist definitiv hart. Aus persönlicher Erfahrung würde ich sagen, dass die meisten meiner Ideen auf die eine oder andere Weise nicht funktioniert haben. Zum Beispiel sah der Planet dann nicht so aus, wie ich es erwartet hatte. Aber ich mag es, sich auf diese Weise ins Unbekannte zu wagen. Denn wir entdecken dabei neue Welten, die noch niemand gesehen hat. Auch wenn nicht immer das herauskommt, was man erwartet hat, ist es immer noch aufregend, Wissenschaftlerin zu sein und all diese neuen Dinge zu lernen.
Wie hoch schätzen Sie aus Ihrer Sicht die Chancen ein, den Beweis für Leben auf einem Exoplaneten während Ihrer Zeit als Astronomin zu finden?
Ich bin zuversichtlich – und ich sage Ihnen auch, warum: Wir wissen, dass Gesteinsplaneten extrem häufig sind. Etwa zehn Prozent aller Sterne haben einen Gesteinsplaneten, der in seiner Größe und Temperatur der Erde ähnelt. In der Milchstraße gibt es 100 Milliarden Sterne, das sind 10 Milliarden potenziell bewohnbare Planeten allein in unserer Galaxie.
Und jetzt gibt es eine ganz neue Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die ihre Karriere der Erforschung dieser Planeten widmen! Wir werden mit dem JWST erfahren, welche Planeten wir uns näher ansehen sollten und welche Umgebungen für Leben geeignet sein könnten. Und mit den Observatorien der nächsten Generation werden wir dann in Zukunft in der Lage sein, nach Biosignaturen zu suchen. Wir wissen, dass Wasser sehr häufig ist – eine notwendige Zutat für Leben. In unserem Sonnensystem gibt es ja immerhin einen Gesteinsplaneten mit flüssigem Wasser. Es würde mich nicht überraschen, wenn es auf Planeten mit den richtigen Zutaten auch irgendeine eine Art von Leben geben würde. Und ich denke, dass wir es finden können.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/teleskope-und-satelliten/james-webb-teleskop/jwst-optimismus-ist-die-grundvoraussetzung/