„Ein sehr ungewöhnlicher Asteroid“
Dirk Eidemüller
Anfang Oktober startet die NASA-Mission Psyche zum gleichnamigen Asteroiden. Nach sechs Jahren wird die Raumsonde voraussichtlich den Himmelskörper erreichen und dort mit den verschiedenen Messgeräten an Bord den Asteroiden eingehend untersuchen. Ein Ziel der Mission ist es etwa, mehr über die Zusammensetzung des einzigartigen Himmelskörpers zu erfahren, der anscheinend einen teilweise freigelegten Eisenkern besitzt. Im Interview mit Welt der Physik erzählt Ralf Jaumann von der Freien Universität Berlin, welche Erkenntnisse sich Astronominnen und Astronomen von der Mission außerdem über unser Sonnensystem erhoffen.
Welt der Physik: Was macht den Asteroiden Psyche so interessant?
Ralf Jaumann: Es handelt sich um einen sehr ungewöhnlichen Asteroiden. Psyche hat eine erstaunlich hohe Dichte für einen Asteroiden. Er ist mit einem mittleren Durchmesser von 226 Kilometern auch relativ groß. Das Besondere an ihm ist jedoch, dass er wohl der Überrest eines deutlich größeren Vorläufers ist, der seine äußeren Bereiche bei einer verheerenden Kollision verloren hat. Psyche war in der Frühzeit des Sonnensystems anscheinend dabei, sich zu einem Kleinplaneten zu entwickeln, als ein heftiger Zusammenprall mit einem ähnlich großen Körper sein Wachstum jäh beendete. Auch die Erde hat in ihrer frühen Phase eine gigantische Kollision durchgemacht, bei der der Mond entstanden ist. Die Erde war allerdings schon groß genug, um dank ihrer Schwerkraft das Material festzuhalten. Psyche war dafür noch zu klein.
Woher wissen Sie, dass es eine Kollision von Psyche mit einem anderen Himmelskörper gab?
Aus Beobachtungen wissen wir, dass der Asteroid zu einem großen Teil aus Eisen und Nickel besteht. Auch im Erdkern und im Kern der anderen Gesteinsplaneten des Sonnensystems liegen diese sehr schweren und dichten Elemente vor. Damit sich ein solcher Kern bilden kann, muss ein Himmelskörper ausreichend groß sein, sodass er in seiner heißen Anfangsphase eine sogenannte Differenzierung durchmachen kann: Dabei sinken im geschmolzenen Gestein bei über 1200 Grad Celsius die schweren Elemente in den Kern, während sich die leichteren weiter außen im Mantel und in der Kruste anordnen. Da wir bei Psyche nur wenig Mantel- und Krustenmaterial sehen, liegt hier sozusagen teilweise ein freifliegender Kern eines Protoplaneten vor. Aber Psyche besteht nicht nur aus Eisen und Nickel. Er besitzt vermutlich unter anderem auch Mantel- und Krustenmaterial seines einstigen Kollisionspartners. Man vermutet außerdem, dass viele Eisenmeteoriten auf der Erde ursprünglich aus Psyche herausgeschlagen wurden.
Welche Erkenntnisse über das Sonnensystem erhofft man sich von der Mission?
Es geht vor allem um das Verständnis der ersten zehn Millionen Jahre nach der Entstehung unseres Sonnensystems. Dieses ist inzwischen rund 4,5 Milliarden Jahre alt. Im Vergleich dazu sind zehn Millionen Jahre eine sehr kurze Zeit. Aber in diesem Zeitraum haben sich alle uns bekannten Himmelskörper aus dem Staub und Gas der protoplanetaren Scheibe gebildet. Indem wir Psyche erforschen, können wir also zweierlei Dinge lernen: Erstens erhalten wir Einblick in einen Protoplanetenkern, wie wir ihn bislang noch nicht aus vergleichbarer Nähe untersuchen konnten. Und zweitens erhoffen wir uns Aufschluss über die Frühphase unseres Sonnensystems, über das Entstehen der ersten größeren Himmelskörper und ihrer anfänglichen Entwicklung.
Welche Instrumente hat die Raumsonde dafür mit an Bord?
Die Raumsonde ist die gleiche wie bei der sehr erfolgreichen Dawn-Mission, die im Jahr 2007 zum großen Asteroiden Vesta und dem Zwergplaneten Ceres startete. Diese beiden Himmelskörper befinden sich ebenso wie Psyche im Asteroidengürtel, zwischen Mars und Jupiter. Für die Analysen hat die Raumsonde Psyche eine Multispektral-Kamera dabei, mit der sich unter anderem die Zusammensetzung des Gesteins untersuchen lässt. Außerdem ist ein Gamma- und Neutronenspektrometer mit an Bord. Denn wenn hochenergetische kosmische Strahlung auf den Asteroiden trifft, werden Gammastrahlen und Neutronen aus dem Gestein freigesetzt. Daraus kann man ebenfalls bestimmen, aus welchen Elementen das Gestein besteht. Zusätzlich soll ein Magnetometer die magnetischen Eigenschaften der Eisenmineralien des Asteroiden vermessen.
Was möchte man über die Geologie des Asteroiden lernen?
Bislang gibt es nur eher unscharfe Aufnahmen aus größerer Entfernung. Wenn die Raumsonde erst einmal in der Nähe von Psyche ist, erwarten wir hochauflösende Bilder. Dann können wir etwa durch Abzählen der Einschlagskrater auf der Oberfläche einschätzen, wie alt das Oberflächenmaterial ist. Denn je mehr Krater sich dort im Lauf der Jahrmillionen und Jahrmilliarden angesammelt haben, desto älter ist das Gestein. Außerdem würden wir gerne mehr über die Porosität von Psyche lernen – also wie viele Hohlräume er enthält. Das gibt Aufschluss darüber, wie sich ein solcher Himmelskörper gegenüber Kollisionen verhält. Das ist auch insofern interessant, als manche Asteroiden hin und wieder gefährlich nahe an der Erde vorbeifliegen. Nur wenn wir wissen, mit was für Objekten wir es hier genau zu tun haben, können wir eventuell Gegenmaßnahmen ergreifen.
Sind auch deutsche Institute an der Mission beteiligt?
Aus Deutschland sind das DLR-Institut für Planetenforschung und die Freie Universität Berlin mit dem Institut für geologische Wissenschaften mit der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung beteiligt. Dabei ist insbesondere, wie bereits bei der NASA-Mission Dawn zu Vesta und Ceres, die Expertise der beiden Institute zur geodätischen Vermessung und geologischen Analyse von kleinen Himmelskörpern gefragt.
NASA-Mission Psyche
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/teleskope-und-satelliten/raumsonde-psyche-ein-sehr-ungewoehnlicher-asteroid/